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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sie daran denken … Wer weiß? vielleicht würde sie ihren vorgezeichneten Weg gehen und Herrn Grünlich heiraten, das war ganz gleichgültig; aber wenn er zu ihr sprach, würde sie plötzlich denken: Ich weiß etwas, was du nicht weißt … Die Adeligen sind – im
Prinzip
gesprochen – verächtlich!
    Sie lächelte zufrieden vor sich hin … Aber da, plötzlich, vernahm sie in dem Geräusch der Räder mit vollkommener, mit unglaublich lebendiger Deutlichkeit Mortens Sprache; sie unterschied jeden Laut seiner gutmütigen, ein wenig schwerfällig knarrenden Stimme, sie hörte mit leiblichem Ohr, wie er sagte: »Heute müssen wir beide auf den Steinen sitzen, Fräulein Tony …« und diese kleine Erinnerung überwältigte sie. Ihre Brust zog sich zusammen vor Wehmut und Schmerz, ohne Gegenwehr ließ sie die Thränen hervorstürzen … In ihren Winkel gedrückt, hielt sie das Taschentuch mit beiden Händen vors Gesicht und weinte bitterlich.
    Thomas, seine Cigarette im Munde, blickte ein wenig ratlos auf die Chaussee hinaus.
    »Arme Tony!« sagte er schließlich, indem er ihre Jacke streichelte. »Du thust mir herzlich leid … ich verstehe dich so gut, siehst du! Aber was ist da zu thun? Dergleichen muß durchgemacht werden. Glaube mir nur … ich kenne das auch …«
    {170} »Ach, du kennst gar nichts, Tom!« schluchzte Tony.
    »Na, sage das nicht. Jetzt steht es zum Beispiel fest, daß ich Anfang nächsten Jahres nach Amsterdam gehe. Papa hat eine Stelle für mich … bei van der Kellen & Comp. … Da werde ich Abschied nehmen müssen für lange, lange Zeit …«
    »Ach, Tom! Ein Abschied von Eltern und Geschwistern! Das ist gar nichts!«
    »Ja –!« sagte er ziemlich langgedehnt. Er atmete auf, als ob er noch mehr sagen wollte und schwieg dann. Indem er die Cigarette von einem Mundwinkel in den anderen wandern ließ, zog er eine Braue empor und wandte den Kopf zur Seite.
    »Und es dauert ja nicht lange«, fing er nach einer Weile wieder an. »Das giebt sich. Man vergißt …«
    »Aber ich will ja gerade nicht vergessen!« rief Tony ganz verzweifelt. »Vergessen … ist das denn ein Trost?!« –

13.
    Dann kam die Fähre, es kam die Israelsdorfer Allee, der Jerusalemsberg, das Burgfeld. Der Wagen passierte das Burgthor, neben dem zur Rechten die Mauern des Gefängnisses aufragten, er rollte die Burgstraße entlang und über den Koberg … Tony betrachtete die grauen Giebelhäuser, die über die Straße gespannten Öllampen, das Heilige Geist-Hospital mit den schon fast entblätterten Linden davor … Mein Gott, alles das war geblieben wie es gewesen war! Es hatte hier gestanden, unabänderlich und ehrwürdig, während sie sich daran als an einen alten, vergessenswerten Traum erinnert hatte! Diese grauen Giebel waren das Alte, Gewohnte und Überlieferte, das sie wieder aufgenommen und in dem sie nun wieder leben sollte. Sie weinte nicht mehr; sie sah sich neugierig um. Das Abschiedsleid war beinahe betäubt, angesichts dieser Straßen und dieser altbekannten Gesichter darin. In diesem Augenblick {171} - der Wagen rasselte durch die Breite Straße – ging der Träger Matthiesen vorüber und nahm tief seinen rauhen Cylinder ab – mit einem so bärbeißigen Pflichtgesicht, als dächte er: Ich wäre jawohl ein Hundsfott …!
    Die Equipage bog in die Mengstraße ein und die dicken Braunen standen schnaubend und stampfend vorm Buddenbrookschen Hause. Tom war seiner Schwester aufmerksam beim Aussteigen behilflich, während Anton und Line herbeieilten, um den Koffer herunterzuschnallen. Aber man mußte warten, bevor man ins Haus gelangte. Drei mächtige Transportwagen schoben sich soeben dicht hintereinander durch die Hausthür, hoch bepackt mit vollen Kornsäcken, auf denen in breiten schwarzen Buchstaben die Firma »Johann Buddenbrook« zu lesen war. Mit schwerfällig widerhallendem Gepolter schwankten sie über die große Diele und die flachen Stufen zum Hofe hinunter. Ein Teil des Kornes sollte wohl im Hinterhause verladen werden und der Rest in den »Wallfisch«, den »Löwen« oder die »Eiche« wandern …
    Der Konsul kam, die Feder hinterm Ohre, aus dem Comptoir heraus, als die Geschwister die Diele betraten, und streckte seiner Tochter die Arme entgegen.
    »Willkommen zu Hause, meine liebe Tony!«
    Sie küßte ihn und sah ihn mit Augen an, die noch verweint waren und in denen etwas wie Scham zu lesen war. Aber er war nicht böse, er erwähnte kein Wort. Er sagte nur:
    »Es ist spät, aber

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