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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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allein geblieben war, konnte eine scherzhafte, eine neckische Stimmung ihn überkommen, konnte er den Versuch machen, sie auf seine Kniee zu ziehen, um seine Favoris ihrem Gesichte zu nähern, und sie mit vor Heiterkeit zitternder Stimme zu fragen: »Habe ich dich doch erwischt? Habe ich dich doch noch ergattert? …« Worauf Tony antwortete: »O Gott, Sie vergessen sich!« und sich mit Geschicklichkeit befreite.
    {177} Herr Grünlich kehrte bald nach dem Weihnachtsfeste nach Hamburg zurück, denn sein reges Geschäft forderte unerbittlich seine persönliche Gegenwart, und Buddenbrooks stimmten mit ihm stillschweigend darin überein, daß Tony vor der Verlobung Zeit genug gehabt habe, seine Bekanntschaft zu machen.
    Die Wohnungsfrage ward brieflich geordnet. Tony, die sich ganz außerordentlich auf das Leben in einer Großstadt freute, gab dem Wunsche Ausdruck, sich im Innern Hamburgs niederzulassen, wo ja auch – und zwar in der Spitalerstraße – sich Herrn Grünlichs Comptoirs befanden. Allein der Bräutigam erlangte mit männlicher Beharrlichkeit die Ermächtigung zum Ankaufe einer Villa vor der Stadt, bei Eimsbüttel … in romantischer und weltentrückter Lage, als idyllisches Nestchen so recht geeignet für ein junges Ehepaar – »procul negotiis« – nein, er hatte sein Latein gleichfalls noch nicht völlig vergessen!
    Es verging der Dezember, und zu Beginn des Jahres sechsundvierzig ward Hochzeit gemacht. Es gab einen prächtigen Polterabend, bei dem die halbe Stadt anwesend war. Tonys Freundinnen, – darunter auch Armgard von Schilling, die in einer turmhohen Kutsche zur Stadt gekommen war, – tanzten mit Toms und Christians Freunden, – darunter auch Andreas Gieseke, Sohn des Branddirektors und studiosus iuris, sowie Stephan und Eduard Kistenmaker, von »Kistenmaker & Sohn«, – im Eßsaale und auf dem Korridor, der zu diesem Behufe mit Talkum bestreut worden war … Für das Poltern sorgte in erster Linie Konsul Peter Döhlmann, der auf den Steinfliesen der großen Diele alle irdenen Töpfe zerschlug, deren er habhaft werden konnte.
    Frau Stuht aus der Glockengießerstraße hatte wieder einmal Gelegenheit, in den ersten Kreisen zu verkehren, indem sie Mamsell Jungmann und die Schneiderin am Hochzeitstage bei Tonys Toilette unterstützte. Sie hatte, strafe sie Gott, niemals {178} eine schönere Braut gesehen, lag, so dick sie war, auf den Knieen und befestigte mit bewundernd erhobenen Augen die kleinen Myrtenzweiglein auf der weißen moirée antique … Dies geschah im Frühstückszimmer. Herr Grünlich wartete in langschößigem Frack und seidener Weste vor der Thür. Sein rosiges Gesicht zeigte einen ernsten und korrekten Ausdruck; auf der Warze an seinem linken Nasenflügel bemerkte man ein wenig Puder, und seine goldgelben Favoris waren mit Sorgfalt frisiert.
    Droben in der Säulenhalle, denn dort sollte die Trauung stattfinden, hatte sich die Familie versammelt – eine stattliche Gesellschaft! Da saßen die alten Krögers, ein wenig kümmerlich Beide schon, aber wie stets die distinguiertesten Erscheinungen. Da waren Konsul Krögers mit ihren Söhnen Jürgen und Jakob, welch letzterer, wie die Verwandten Duchamps, von Hamburg gekommen war. Da war Gotthold Buddenbrook und seine Frau, die geborene Stüwing, mit Friederike, Henriette und Pfiffi, die sich leider alle drei wohl nicht mehr verheiraten würden … Da war die Mecklenburgische Nebenlinie durch Klothhildens Vater, Herrn Bernhardt Buddenbrook vertreten, der von »Ungnade« hereingekommen war und mit großen Augen das unerhört herrschaftliche Haus seines reichen Verwandten betrachtete. Die in Frankfurt hatten nur Geschenke geschickt, denn die Reise war doch zu umständlich … An ihrer Stelle aber waren, als Einzige, die nicht der Familie zugehörten, Doktor Grabow, der Hausarzt, und Mamsell Weichbrodt, Tonys mütterliche Freundin, zugegen – Sesemi Weichbrodt mit ganz neuen grünen Haubenbändern über den Seitenlocken und einem schwarzen Kleidchen. »Sei glöcklich, du
gutes
Kind!« sagte sie, als Tony an Herrn Grünlichs Seite in der Säulenhalle erschien, reckte sich empor und küßte sie mit leise knallendem Geräusch auf die Stirn. – Die Familie war zufrieden mit der Braut; Tony sah hübsch, unbefangen und heiter aus, wenn auch ein wenig blaß vor Neugier und Reisefieber.
    {179} Die Halle war mit Blumen geschmückt und ein Altar an ihrer rechten Seite errichtet worden. Pastor Kölling von St. Marieen hielt die

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