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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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auf die Schulter geneigtem, hitzigem Kopf, in ihrer ungelenken und schräg von links nach rechts emporfliegenden Schrift:
    »… Verlobte sich am 22. September 1845 mit Herrn Bendix Grünlich, Kaufmann zu Hamburg.«

14.
    »Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, mein werter Freund. Diese Frage ist von Wichtigkeit und muß erledigt werden. Kurz und gut: Die traditionelle Bar-Mitgift für ein junges Mädchen aus unserer Familie beträgt 70 000 Mark.«
    Herr Grünlich warf seinem zukünftigen Schwiegervater den kurzen und prüfenden Seitenblick eines Geschäftsmannes zu.
    »In der That …« sagte er, und dieses In der That war genau so lang wie sein linker goldgelber Backenbart, den er bedächtig durch die Finger gleiten ließ … Er ließ die Spitze los, als das In der That vollendet war.
    »Sie kennen«, fuhr er fort, »verehrter Vater, die tiefe Hochachtung, die ich ehrwürdigen Überlieferungen und Prinzipien entgegenbringe! Allein … sollte im gegenwärtigen Falle diese schöne Rücksicht nicht eine Übertreibung bedeuten? … Ein Geschäft vergrößert sich … eine Familie blüht empor … kurzum die Bedingungen werden andere und bessere …«
    »Mein werter Freund«, sprach der Konsul … »Sie sehen in mir einen Geschäftsmann von Coulanz! Mein Gott … Sie haben mich nicht einmal ausreden lassen, sonst wüßten Sie bereits, {175} daß ich willig und bereit bin, Ihnen den Umständen entsprechend entgegen zu kommen, und daß ich den 70 000 schlankerhand 10 000 hinzufüge.«
    »80 000 also …« sagte Herr Grünlich; und dann machte er eine Mundbewegung als wollte er sagen: Nicht zu viel; aber es genügt.
    Man einigte sich in der liebenswürdigsten Weise, und der Konsul klapperte, als er sich erhob, zufrieden mit dem großen Schlüsselbund in seiner Beinkleidtasche. Erst mit den 80 000 hatte er die »traditionelle Höhe der Bar-Mitgift« erreicht. –
    Hierauf empfahl sich Herr Grünlich und reiste nach Hamburg ab. Tony verspürte wenig von ihrer neuen Lebenslage. Niemand hinderte sie, bei Möllendorpfs, Langhals', Kistenmakers und im eignen Hause zu tanzen, auf dem Burgfelde und den Travenwiesen Schlittschuh zu laufen und die Huldigungen der jungen Herren entgegenzunehmen … Mitte Oktober hatte sie Gelegenheit der Verlobungsgesellschaft beizuwohnen, die man bei Möllendorpfs zu Ehren des ältesten Sohnes und Julchen Hagenströms veranstaltete. »Tom!« sagte sie. »Ich gehe nicht hin. Es ist empörend!« Aber sie ging dennoch hin und unterhielt sich aufs Beste.
    Im Übrigen hatte sie sich mit den Federstrichen, die sie der Familiengeschichte hinzugefügt, die Erlaubnis erworben, mit der Konsulin oder allein in allen Läden der Stadt Kommissionen größeren Stiles zu machen und für ihre Aussteuer, eine
vornehme
Aussteuer, Sorge zu tragen. Tagelang saßen im Frühstückszimmer am Fenster zwei Nähterinnen, welche säumten, Monogramme stickten und eine Menge Landbrot mit grünem Käse aßen …
    »Ist das Leinenzeug von Lentföhr gekommen, Mama?«
    »Nein, mein Kind, aber hier sind zwei Dutzend Theeservietten.«
    »Schön. – Und er hatte versprochen, es bis heute Nachmittag {176} zu schicken. Mein Gott, die Laken müssen gesäumt werden!«
    »Mamsell Bitterlich fragt nach den Spitzen für die Kissenbühren, Ida.«
    »Im Leinenschrank auf der Diele rechts, Tonychen, mein Kindchen.«
    »Line – –!«
    »Könntest auch gern mal selbst springen, mein Herzchen …«
    »O Gott, wenn ich darum heirate, um selber die Treppen zu laufen …«
    »Hast du an die Trauungstoilette gedacht, Tony?«
    »Moirée antique, Mama! … Ich lasse mich nicht trauen ohne moirée antique!«
    So verging der Oktober, der November. Zur Weihnachtszeit erschien Herr Grünlich, um den heiligen Abend im Kreise der Buddenbrookschen Familie zu verleben, und auch die Einladung zur Feier bei den alten Krögers schlug er nicht aus. Sein Benehmen gegenüber seiner Braut war erfüllt von dem Zartgefühl, das man von ihm zu gewärtigen berechtigt war. Keine unnötige Feierlichkeit! Keine gesellschaftliche Behinderung! Keine taktlosen Zärtlichkeiten! Ein hingehaucht diskreter Kuß auf die Stirn in Gegenwart der Eltern hatte das Verlöbnis besiegelt … Zuweilen verwunderte Tony sich ein wenig, daß sein Glück jetzt der Verzweiflung, die er bei ihren Weigerungen an den Tag gelegt hatte, kaum zu entsprechen schien. Er betrachtete sie lediglich mit einer heiteren Besitzermiene … Hie und da freilich, wenn er zufällig mit ihr

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