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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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hatte seine Daumen in die Armlöcher der Weste geschoben, spielte mit den übrigen Fingern an den Schultern Klavier und sah mit unsäglicher Heiterkeit von Einem zum Anderen. Herr Grünlich saß ohne sich zurückzuleh {243} nen, die Hände auf dem Tisch, starrte trüb vor sich hin und ließ dann und wann einen ängstlichen Blick seitwärts zu seinem Schwiegervater gleiten. Der Konsul blätterte im Hauptbuch, verfolgte mit dem Fingernagel Kolonnen von Zahlen, verglich Daten und warf mit dem Bleistift seine kleinen, unleserlichen Ziffern aufs Papier. Sein abgespanntes Gesicht drückte Entsetzen vor den Verhältnissen aus, in die er nun »Einblick gewann« … Endlich legte er seine Linke auf Herrn Grünlichs Arm und sagte erschüttert:
    »Sie armer Mann!«
    »Vater …« brachte Herr Grünlich hervor. Dem bedauernswerten Menschen liefen zwei große Thränen die Wangen hinab und in die goldgelben Favoris hinein. Herr Kesselmeyer verfolgte den Weg dieser beiden Tropfen mit dem größten Interesse; er stand sogar ein wenig auf, beugte sich vor und starrte seinem Gegenüber mit offenem Munde ins Gesicht. Konsul Buddenbrook war heftig bewegt. Weich gemacht durch das Unglück, das ihn selbst betroffen, fühlte er, wie das Erbarmen ihn mit sich fortriß; aber rasch wurde er wieder Herr seiner Gefühle.
    »Wie ist es möglich!« sagte er mit einem trostlosen Kopfschütteln … »In diesen wenigen Jahren!«
    »Kinderspiel!« antwortete Herr Kesselmeyer gut gelaunt. »In vier Jahren kann man allerliebst vor die Hunde kommen! Wenn man bedenkt, wie munter Gebrüder Westfahl in Bremen vor kurzer Zeit noch umhersprangen …«
    Der Konsul sah ihn blinzelnd an, indem er ihn weder sah noch hörte. Er hatte keineswegs seinem wirklichen Gedanken Ausdruck gegeben, über den er grübelte … Warum, fragte er sich argwöhnisch und dennoch verständnislos, warum dies Alles gerade jetzt? B. Grünlich hätte schon vor zwei, vor drei Jahren stehen können, wo er jetzt stand; das übersah man mit einem Blick. Aber sein Kredit war unerschöpflich gewesen, er {244} hatte von den Banken Kapital erhalten, er hatte die Unterschriften von soliden Häusern wie Senator Bock und Konsul Goudstikker immer wieder für seine Unternehmungen in Empfang genommen, und seine Wechsel hatten koursiert wie Bargeld. Warum gerade jetzt, jetzt, jetzt – und der Chef der Firma Johann Buddenbrook wußte wohl, was er unter diesem Jetzt verstand – dieser Zusammenbruch auf allen Seiten, dieses totale Zurückziehen alles Vertrauens wie auf Verabredung, dieses einmütige Herfallen über B. Grünlich unter Hintansetzung jeder Rücksicht, ja jeder Höflichkeitsform? Der Konsul wäre allzu naiv gewesen, hätte er nicht gewußt, daß das Ansehen seines eignen Hauses nach der Verlobung Grünlichs mit seiner Tochter auch seinem Schwiegersohne hatte zugute kommen müssen. Aber hatte der Kredit des Letzteren so vollkommen, so eklatant, so ausschließlich von dem seinen abgehangen? War Grünlich selbst denn nichts gewesen? Und die Erkundigungen, die der Konsul eingezogen, die Bücher, die er geprüft hatte? … Mochte es sich damit verhalten, wie es wollte, so stand sein Entschluß, in dieser Sache auch nicht das Glied eines Fingers zu regen, fester als jemals. Man sollte sich verrechnet haben! Augenscheinlich hatte B. Grünlich die Anschauung zu erwecken gewußt, als sei er mit Johann Buddenbrook solidarisch? Diesem, wie es schien, entsetzlich weit verbreiteten Irrtum mußte ein für alle Male vorgebeugt werden! Und auch dieser Kesselmeyer sollte sich wundern! Besaß dieser Bajazz ein Gewissen? Es sprang in die Augen, wie schamlos er ganz allein darauf spekuliert hatte, daß er, Johann Buddenbrook, den Mann seiner Tochter nicht würde fallen lassen, wie er dem längst vernichteten Grünlich zwar fort und fort Kredit gewährt, ihn aber immer blutigere Wucherzinsen hatte unterschreiben lassen …
    »Gleichviel«, sagte er kurz. »Kommen wir zur Sache. Wenn ich hier als Kaufmann mein Gutachten abgeben soll, so bedau {245} ere ich, aussprechen zu müssen, daß dies die Lage eines zwar unglücklichen, aber auch eines in hohem Grade schuldigen Mannes ist.«
    »Vater …« stammelte Herr Grünlich.
    »Diese Anrede klingt mir
schlecht
in die Ohren!« sagte der Konsul rasch und hart. »Ihre Forderungen, mein Herr«, fuhr er fort, indem er sich flüchtig dem Bankier zuwandte, »an Herrn Grünlich betragen sechzigtausend Mark …«
    »Mit den rückständigen und den zum Kapital

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