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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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geschlagenen Zinsen achtundsechzigtausendsiebenhundertundfünfundfünfzig Mark und fünfzehn Schillinge«, antwortete Herr Kesselmeyer behaglich.
    »Sehr wohl … Und Sie wären unter keinen Umständen geneigt, Ihre Geduld zu verlängern?«
    Herr Kesselmeyer begann einfach zu lachen. Er lachte mit offenem Munde, stoßweise, ohne eine Spur von Hohn und sogar gutmütig, indem er dem Konsul ins Gesicht sah, als wollte er ihn auffordern, gleichfalls einzustimmen.
    Johann Buddenbrooks kleine, tiefliegende Augen trübten sich und umgaben sich plötzlich mit roten Rändern, die sich bis zu den Wangenknochen hinzogen. Er hatte nur der Form wegen gefragt und wußte sehr wohl, daß ein Aufschub von seiten dieses einen Gläubigers die Sachlage ganz unwesentlich verändert haben würde. Aber die Art, in der dieser Mensch ihn zurückwies, beschämte und erbitterte ihn aufs Äußerste. Mit einer einzigen Handbewegung schob er Alles weit von sich, was vor ihm lag, legte mit einem Ruck den Bleistift auf den Tisch und sagte:
    »So erkläre ich, daß ich nicht willens bin, mich länger in irgend einer Weise mit dieser Angelegenheit zu beschäftigen.«
    »Ahah!« rief Herr Kesselmeyer, indem er seine Hände in der Luft schüttelte … »Das nenne ich ein Wort, das nenne ich {246} würdig gesprochen. Der Herr Konsul wird die Sache ganz einfach regeln! Ohne langes Parlamentieren! Schlanker Hand!«
    Johann Buddenbrook sah ihn nicht einmal an.
    »Ich kann Ihnen nicht helfen, mein Freund«, wandte er sich ruhig an Herrn Grünlich. »Die Dinge müssen den Weg nehmen, den sie eingeschlagen haben … Ich sehe mich nicht in der Lage, sie aufzuhalten. Fassen Sie sich und suchen Sie Trost und Kraft bei Gott. Ich muß diese Unterredung als geschlossen betrachten.«
    Überraschender Weise nahm Herrn Kesselmeyers Gesicht einen ernsten Ausdruck an, was sich ganz wunderlich ausnahm; dann aber nickte er Herrn Grünlich aufmunternd zu. Dieser saß bewegungslos und rang nur seine langen Hände auf dem Tische so heftig, daß die Finger leise krachten.
    »Vater … Herr Konsul …« sagte er mit wankender Stimme, »Sie werden … Sie können meinen Ruin, mein Elend nicht wollen! Hören Sie mich an! Es handelt sich in Summa um ein Manko von hundertzwanzigtausend … Sie können mich retten! Sie sind ein reicher Mann! Betrachten Sie die Summe wie Sie wollen … als eine endgültige Abfindung, als das Erbteil Ihrer Tochter, als ein verzinsbares Darlehen … Ich werde arbeiten … Sie wissen, daß ich rege und findig bin …«
    »Ich habe mein letztes Wort gesprochen«, sagte der Konsul.
    »Erlauben Sie mir …
können
Sie nicht?« fragte Herr Kesselmeyer und sah ihn durch seinen Kneifer mit krauser Nase an … »Wenn ich dem Herrn Konsul zu bedenken geben dürfte … dies wäre eigentlich gerade jetzt eine allerliebste Occasion, die Stärke der Firma Johann Buddenbrook zu beweisen …«
    »Sie thäten gut daran, mein Herr, die Sorge für das Ansehen meines Hauses mir selbst zu überlassen. Um meine Zahlungsfähigkeit klarzustellen, habe ich nicht nötig, mein Geld in die nächste Pfütze zu werfen …«
    »Nicht doch, nicht doch! A-ahah, ›Pfütze‹ ist höchst spaß {247} haft! Aber meinen Herr Konsul nicht, daß der Konkurs Ihres Herrn Schwiegersohnes auch Ihre Lage in eine falsche und schiefe Beleuchtung … wie? … bringen würde … wie? … rücken würde? …«
    »Ich kann Ihnen nur noch einmal empfehlen, meinen Ruf in der Geschäftswelt meine eigene Sache sein zu lassen«, sagte der Konsul.
    Herr Grünlich sah ratlos seinem Bankier ins Gesicht und begann von Neuem:
    »Vater … ich flehe Sie an, bedenken Sie, was Sie thun! … Ist denn von mir allein die Rede? Oh, ich, … mag
ich
immerhin zu Grunde gehen! Aber Ihre Tochter, mein Weib, sie, die ich so liebe, die ich mir in so heißem Kampfe erworben … und unser Kind, unser Beider unschuldiges Kind … auch sie im Elend! Nein Vater, ich würde es nicht tragen! Ich würde mich töten! Ja, mit dieser meiner eigenen Hand würde ich mich töten … glauben Sie mir! Und möge der Himmel Sie dann von jeder Schuld freisprechen!«
    Johann Buddenbrook lehnte bleich und mit pochendem Herzen in seinem Armsessel. Zum zweiten Male stürmten die Empfindungen dieses Mannes auf ihn ein, deren Äußerung durchaus das Gepräge der Echtheit trug, wieder mußte er, wie damals, als er Herrn Grünlich den Travemünder Brief seiner Tochter mitgeteilt hatte, die selbe gräßliche Drohung

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