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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Demokraten?«
    Kanaschnikow zeigte ein betont nachsichtiges Lächeln.
    »Nein«, sagte er, »ich spreche von seinem Sohn.«
    »Was denn, der kleine Vladimir von der Tenischew-Schule? Haben Sie den etwa auch … Aber der ist doch längst auf der Krim! Und wieso Mädchen? Was reden Sie da?«
    »Schon gut, meinetwegen. Auf der Krim«, sagte der Professor. »Von mir aus auf der Krim. Wir hatten ja von China geredet, nicht von der Krim. Davon, daß die klassische chinesische Mentalität jegliche Vorwärtsbewegung als Abstieg sieht. Und dann gibt es den anderen Weg – den Europa seine ganze Historie hindurch gegangen ist, auch wenn Sie in der Sprache anderes finden mögen. Jenen Weg, den auch Rußland seit Ewigkeiten zu beschreiten versucht, indem es immer und immer wieder die unselige alchimistische Ehe mit dem Westen eingeht.«
    »Bemerkenswert formuliert.«
    »Danke. Hier sieht man das Ideal nicht in der Vergangenheit, sondern potentiell in der Zukunft angesiedelt. Was der eigenen Existenz sogleich einen Sinn verschafft, Sie verstehen?
    Die Idee der Entwicklung, des Fortschritts, der Bewegung vom Unvollkommenen zum Vollkommeneren. Gleiches passiert auf individueller Ebene – auch wenn die persönliche Entwicklung nur so kleine Fortschritte erkennen läßt wie, sagen wir, die Renovierung der Wohnung oder den Kauf eines neuen Autos. Es gibt einem die Möglichkeit weiterzuleben. Sie hingegen wollen in dieses ›Weiter‹ nicht investieren. Der metaphorische Stier, von dem wir sprachen, hetzt durch Ihre Seele und trampelt alles nieder, was ihm in die Quere kommt, nur weil Sie nicht bereit sind, sich der Realität zu stellen. Sie wollen den Stier nicht in die Freiheit entlassen. Sie verachten die Posen, die die Zeit uns abverlangt. Ebendarin liegt der Grund für Ihre Tragödie.«
    »Das ist natürlich interessant, was Sie da erzählen, aber etwas sehr konfus«, sagte ich und schielte nach dem an der Wand sitzenden Uniformierten. »Außerdem sind mir die Arme eingeschlafen. Und was den Fortschritt angeht, da könnte ich Ihnen kurz erläutern, was dahintersteckt.«
    »Wenn Sie so freundlich wären.«
    »Kein Problem. Bringt man das von Ihnen Gesagte auf einen Punkt, so heißt das: Manche Leute passen sich Veränderungen schneller an als andere, basta. Aber haben Sie sich schon einmal gefragt, warum es überhaupt zu Veränderungen kommt?«
    Professor Kanaschnikow antwortete mit einem Achselzucken.
    »Ich will es Ihnen sagen. Daß es sich leichter lebt für den, der durchtrieben und gewissenlos ist, werden Sie gewiß nicht bestreiten?«
    »Keineswegs.«
    »Und leichter lebt es sich vor allem dadurch, daß man sich neuen Gegebenheiten schneller anpaßt, ja?«
    »Kann man so sehen.«
    »Nun gibt es aber ein Ausmaß an gewissenloser Durchtriebenheit, Euer Gnaden, mit Hilfe dessen mancher diese Gegebenheiten schon absieht, bevor sie überhaupt eingetreten sind, wodurch er natürlich anderen gegenüber einen beträchtlichen Vorsprung in der Anpassung erzielt. Mehr noch, die gerissensten Gauner schaffen es sogar, sich Gegebenheiten anzupassen, die noch nicht im entferntesten abzusehen sind.«
    »Na und?«
    »So kommt es, daß wir Veränderungen in der Welt überhaupt nur diesem Häuflein gerissener Gauner zu verdanken haben. Sie nehmen die Zukunft nicht vorweg, sie gestalten sie – indem sie nämlich immer an den Ort kriechen, von wo der Wind, wie sie glauben, demnächst wehen wird. So daß dem Wind gar nichts weiter übrigbleibt, als sich tatsächlich dorthin zu bequemen und zu blasen.«
    »Warum sollte er das?«
    »Warum schon. Ich sagte doch, es handelt sich um die widerwärtigsten, schamlosesten, abgefeimtesten Gauner, die man sich vorstellen kann. Denken Sie, die lassen sich nichts einfallen, um alle anderen davon zu überzeugen, daß der Wind von da weht, wo sie gerade hocken? Zumal der Wind, von dem hier die Rede ist, nur idiomatisch weht. Aber ich mache zuviel Worte. Ehrlich gesagt, hatte ich die Absicht, bis zur Exekution überhaupt nicht mehr zu reden.«
    Der Uniformierte an der Wand grunzte und warf dem Professor einen vielsagenden Blick zu.
    »Ich vergaß vorzustellen«, sagte Kanaschnikow. »Das ist Oberst Smirnow, Militärpsychiater. Er ist in einer anderer Angelegenheit hier, interessiert sich aber auch für Ihren Fall.«
    »Sehr erfreut, Herr Oberst«, sagte ich mit leichter Verbeugung.
    Der Professor neigte sich über sein Telefon und drückte einen Knopf.
    »Sonetschka, vier Kubik bitte, wie üblich«, sprach er

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