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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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es zu sein schien, dem dies passierte und der auf das gespritzte Präparat reagierte. Und dieser andere, so ahnte ich mit Grauen, ließ sich tatsächlich kurieren.
    »Was dachten denn Sie!« sagte Professor Kanaschnikow wie zur Bestätigung. »Das schaffen wir schon, keine Bange. Und überhaupt, vergessen Sie das Wort ›Irrenhaus‹. Nehmen Sie's als nettes Abenteuer. Das dürfte Ihnen als Literat doch nicht schwerfallen. Wirklich, was einem hier manchmal zu Ohren kommt, möchte man direkt aufschreiben. Die Gruppensitzung mit Maria, die gleich anfängt, die wird zum Beispiel sehr interessant. Ich nehme an, Sie wissen noch, wer das ist?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Na, hätte ich mir denken können«, sagte er. »Ist jedenfalls eine äußerst interessante Geschichte. Ein Psychodrama von shakespeareschem Format, würde ich behaupten. Da kollidieren äußerlich völlig verschiedene Bewußtseinsinhalte miteinander: mexikanische Seifenoper, Hollywood-Thriller und die ungefestigte russische Demokratie. Die mexikanische Fernsehserie ›Sagen Sie einfach Maria‹ ist Ihnen doch wenigstens ein Begriff? Nicht mal die? Verstehe. Na, kurz gesagt, hier hält sich jemand für die Hauptfigur, besagte Maria. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, aber es kommt noch eine unbewußte Identifikation mit Rußland hinzu. Plus analdynamischer Agamemnon-Komplex. Also eine lupenreine Pseudopersönlichkeitsspaltung. Ganz mein Fall.«
    Mein Gott, dachte ich, was für lange Flure die hier haben.
    »Zu einer vollwertigen Teilnahme an der Sitzung werden Sie natürlich nicht in der Lage sein«, tönte Kanaschnikows Stimme schon wieder. »Sie dürfen ruhig schlafen. Aber vergessen Sie nicht, daß Sie demnächst selbst an der Reihe sein werden.«
    Wir schienen nun irgendwo hineinzufahren: Eine Tür quietschte, und ich hörte, wie eine Unterhaltung, die dort im Gang war, abbrach. Professor Kanaschnikow grüßte in die Finsternis, etliche Stimmen antworteten ihm. Währenddessen wurde ich auf ein unsichtbares Bett gelegt, ein Kissen kam unter meinen Kopf, eine Decke obenauf. Eine Zeitlang lauschte ich den an mein Ohr dringenden Phrasen (der Professor erklärte irgendwem, warum ich so lange nicht dagewesen war), dann schaltete ich vollständig ab, da mich eine außerordentlich bedeutungsvolle Halluzination privater Natur heimsuchte.
    Ich weiß nicht, wie lange ich allein mit meinem Gewissen zubrachte, ehe plötzlich wieder die monotone Stimme des Professors meine Aufmerksamkeit auf sich zog.
    »Schauen Sie genau auf diese Kugel, Maria. Sie sind vollkommen ruhig. Sollte Ihr Mund trocken sein, ist das die Wirkung des Ihnen verabreichten Präparats und wird schnell wieder vergehen. Hören Sie mich?«
    »Ja«, erwiderte eine Stimme, die eher einem hohen Tenor nahekam als einem tiefen Alt.
    »Wer sind Sie?«
    »Maria«, antwortete die Stimme.
    »Ihr Nachname?«
    »Sagen Sie einfach Maria.«
    »Wie alt sind Sie?«
    »Schätzungsweise achtzehn«, sagte die Stimme.
    »Wissen Sie, wo Sie sich befinden?«
    »Ja. In der Klinik.«
    »Und weshalb sind Sie hier?«
    »Wegen dem Aufprall, was dachten denn Sie! Ist ja ein Wunder, daß ich überhaupt noch am Leben bin. Nie hätte ich gedacht, daß er ein so schlechter Mensch ist.«
    »Wogegen sind Sie denn geprallt?«
    »Gegen den Moskauer Fernsehturm.«
    »Ach. Wie ist denn das passiert?«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Macht nichts«, sagte der Professor in nettem Ton, »wir haben keine Eile. Erzählen Sie ruhig, wir hören zu. Wie hat das Ganze angefangen?«
    »Angefangen hat es damit, daß ich an der Uferpromenade spazierengegangen bin.«
    »Wo waren Sie vorher gewesen?«
    »Vorher nirgends.«
    »Gut, erzählen Sie weiter.«
    »Ja, also. Ich geh da so lang, und auf einmal ist da um mich so ein Rauch. Ich geh weiter, und es wird immer mehr …«
    Ich merkte plötzlich, daß es immer schwieriger wurde, den Worten, die zu mir drangen, einen Sinn abzugewinnen. Ich hatte das Empfinden, als hinge dieser Sinn an Fäden, und diese Fäden würden länger und länger. Ich konnte dem Gespräch nicht mehr folgen. Das war aber nicht schlimm, weil sich vor mir ein verschwommenes Bild abzuzeichnen begann: die in Rauchschwaden gehüllte Uferpromenade, auf ihr entlanggehend eine Frau oder wohl eher ein verkleideter Kerl mit breiten, muskulösen Schultern. Sie hieß Maria, soviel war mir klar, ich konnte sie sehen und sah doch zugleich die Welt mit ihren Augen. Im nächsten Augenblick begriff ich, daß all ihre Gedanken

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