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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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deutlich das helle Viereck des abgerissenen Namensschilds abhob. Die Tür ging auf, wir traten in einen dunklen Flur, und augenblicklich schellte das Wandtelefon. Grigori nahm ab.
    »Jawohl, Genosse Babajasin«, brüllte er in die schwarze Ebonitmuschel. »Ja, ich weiß, den brauchen Sie nicht extra … Genosse Babajasin, das kann ich nicht, das ist doch lächer… Stellen Sie sich vor, wie peinlich das … noch dazu mit den Matrosen. Was? Zu Befehl, aber ich protestiere entschieden. Was?«
    Er schielte zu mir herüber, und um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen, ging ich ins Wohnzimmer.
    Der Boden lag dort voller Zeitungen, von denen die meisten längst verboten waren – hier gab es anscheinend noch ganze Jahrgänge. Auch andere Spuren früheren Lebens waren zu besichtigen. An der Wand hing ein prachtvoller türkischer Teppich, darunter stand ein Sekretär mit verschiedenfarbigen Emaillerhomben – bei seinem Anblick war mir sofort klar, daß eine wohlhabende Familie aus Kreisen der Konstitutionellen Demokratie hier gewohnt haben mußte. An der gegenüberliegenden Wand gab es einen großen Spiegel, daneben hing ein Kruzifix im Jugendstil. Ich hielt mich kurz bei der Frage auf, welcherart religiöses Gefühl dazu wohl passen mochte. Viel Raum nahm ein riesiges Bett mit gelbem Baldachin ein. Was auf dem runden Tisch in der Mitte des Zimmers beieinanderstand, erschien mir – vielleicht der Nachbarschaft zum Kruzifix wegen – wie ein christlich-esoterisch angehauchtes Stilleben: eine Literflasche Wodka, eine Dose türkischer Honig in Herzform, ein ins Nichts führendes Treppchen aus drei übereinanderliegenden Stücken Schwarzbrot, drei geschliffene Trinkgläser und ein kreuzförmiger Dosenöffner.
    Beim Spiegel lagen mehrere Bündel auf dem Boden, die nach Schmugglerware aussahen; im Zimmer roch es säuerlich, nach Fußlappen und Schnaps, etliche leere Flaschen standen herum. Ich setzte mich an den Tisch.
    Bald darauf knarrte die Tür, und Grigori trat ein. Er legte die Lederjacke ab; das Hemd darunter wirkte betont soldatisch.
    »Der Teufel weiß, was die wollen«, sagte er, während er sich setzte. »Ein Anruf von der Tscheka.«
    »Arbeitest du für die?«
    »So wenig wie möglich.«
    »Wie bist du überhaupt in diese Gesellschaft geraten?«
    Grigori von Ernen grinste breit.
    »Nichts leichter als das. Ein Fünfminutengespräch mit Gorki am Telefon, das war alles.«
    »Und die Mauser und das Auto haben sie gleich mitgeliefert?«
    »Ach, weißt du«, sagte er, »das Leben ist bekanntlich ein Theater. Wovon aber viel seltener die Rede ist: An diesem Theater wird jeden Tag ein neues Stück gespielt. Und ich stell da jetzt eine Inszenierung auf die Beine, Pjotr, ich kann dir sagen.«
    Er hob die Hände über den Kopf und schüttelte sie, als müßte er die Münzen in einem unsichtbaren Beutel zum Klingen bringen.
    »Es geht nicht mal um das Stück«, sagte er. »Wenn wir den Vergleich weiter bemühen wollen, dann durfte früher jeder im Saal sein faules Ei auf die Bühne schmeißen. Jetzt aber wird Tag für Tag von der Bühne runtergeschossen, da kann auch schon mal ein Bömbchen fliegen. Und du mußt wissen, was du lieber sein möchtest, mein Lieber: Schauspieler oder Zuschauer?«
    Das war eine ernst zu nehmende Frage.
    »Was soll ich dazu sagen«, dachte ich laut vor mich hin. »Klingt mir zu sehr nach Stanislawski: Theater fängt schon an der Garderobe an und so. Bei euch hängt man am Ende selber am Haken, schätze ich mal. Und die Zukunft«, dozierte ich und stieß den Zeigefinger in die Luft, »gehört sowieso der Kinematographie!«
    Grigori kicherte und schüttelte den Kopf.
    »Denk trotzdem über meine Worte nach«, sagte er.
    »Versprochen«, erwiderte ich.
    Er goß sich einen Wodka ein und trank.
    »Puh«, sagte er. »Weil wir grad beim Theater sind. Weißt du, wer neuerdings Theater-Kommissar ist? Madame Malinowskaja. Ihr kennt euch doch, nicht wahr?«
    »Nicht daß ich wüßte. Wer war noch mal Madame Malinowskaja?«
    Grigori gab einen Seufzer von sich. Er stand auf und lief schweigend durch das Zimmer. Schließlich setzte er sich wieder vor mich hin und sah mir in die Augen.
    »Pjotr. Wir reißen hier in einem fort unsere Witzchen, dabei sehe ich doch, daß mit dir was nicht stimmt. Was ist passiert? Wir sind alte Freunde, das ist mal klar, aber davon abgesehen könnte ich dir vielleicht behilflich sein.«
    Ich gab mir einen Ruck.
    »Ich will dir reinen Wein einschenken. Vor drei Tagen hatte ich in

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