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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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ein Freudenhaus kommt, und ich fragte mich, ob es vielleicht wirklich zum erstenmal war, daß er eine Schuftigkeit so frech und unverhohlen beging.
    »Sperr die Tür auf«, befahl er, »und dann raus auf die Treppe.«
    »Laß mich wenigstens den Mantel anziehen«, sagte ich und überlegte fieberhaft, ob ich irgend etwas auf Lager hatte, was diesen von seiner eigenen Niedertracht berauschten Menschen noch umstimmen und den sich abzeichnenden Gang der Dinge aufhalten konnte.
    »Wir haben es nicht weit«, sagte Grigori, »nur über die Straße. Aber von mir aus, zieh ihn an.«
    Ich nahm den Mantel mit beiden Händen vom Haken, drehte mich ein wenig, um den Arm in den Ärmel zu schieben, und im nächsten Moment, ganz unerwartet für mich selbst, warf ich den Mantel auf Grigori von Ernen – schleuderte ihn nicht einfach in seine Richtung, sondern stülpte ihn regelrecht über den Mann.
    Bis heute ist mir nicht klar, warum von Ernen mich nicht abgeknallt hat. Tatsache ist, daß er den Schuß erst auslöste, als er unter dem Gewicht meines Körpers zu Boden ging; die Kugel, die wenige Zentimeter neben meiner Hüfte vorbeiging, schlug in die Wohnungstür ein. Der gestürzte Grigori steckte mit dem Kopf im Mantel, und ich bekam durch den dicken Stoff hindurch seine Kehle zu fassen. Der Mantel störte kaum; mit dem Knie konnte ich das Gelenk der Hand, die die Pistole umklammert hielt, gegen den Boden pressen; bevor seine Finger sich lösten, pflanzte er noch ein paar Kugeln in die Wand. Von dem Knallen wurde ich fast taub. Und dennoch meine ich noch heute das leise Knacken zu hören, mit dem zwischen zwei Schüssen der Kneifer zerbrach – ich muß ihm im Handgemenge meinen Kopf in das verhüllte Gesicht gestoßen haben.
    Als er sich nicht mehr rührte, konnte ich mich lange nicht entschließen, seine Kehle loszulassen. Meine Hände gehorchten mir kaum; um wieder Luft zu bekommen, mußte ich eine Atemübung beginnen. Ihre Wirkung war seltsam – ein leichter Anfall von Hysterie bemächtigte sich meiner. Ich sah die ganze Szenerie plötzlich von der Seite: Da sitzt jemand auf der Leiche seines erwürgten Freundes und atmet konzentriert nach der in der letzten Nummer der »Isis« beschriebenen Methode des Yogi Ramasharaki. Ich stellte mich auf die Füße, und in diesem Moment wurde mir bewußt, daß ich soeben einen Mord begangen hatte.
    Natürlich trug ich – wie jeder, der den Machthabern nicht restlos traute – immer einen Revolver mit mir herum, und erst vor zwei Tagen hatte ich ihn seelenruhig in Gang gesetzt. Das hier aber war etwas anderes, hier wurde düsterster Dostojewski gespielt: die leere Wohnung, die von einem englischen Mantel bedeckte Leiche und die Tür hinaus in die feindlich gesonnene Welt, und womöglich steuerten schon irgendwelche Müßiggänger auf diese Tür zu. Ich riß mich zusammen und verscheuchte die Gedanken – Dostojewski steckte selbstverständlich weder in der Leiche noch in der Tür mit dem Einschußloch, sondern in mir selbst, meinem von den Reuemetastasen fremder Leute lädierten Bewußtsein.
    Ich öffnete die Wohnungstür einen Spalt und lauschte einige Sekunden nach draußen. Nichts war zu hören. Ein paar Pistolenschüsse regten anscheinend keinen mehr auf.
    Mein Revolver steckte noch in Grigoris Hosentasche, und ich hatte absolut keine Lust, ihn von da hervorzukramen. Also hob ich seine Mauser auf und besah sie mir. Es war ein hervorragendes Gerät, nagelneu. Ich überwand mich und wühlte in seiner Jacke. Es fanden sich eine Schachtel »Ira«-Papirossy, ein Reservemagazin für die Mauser und ein Tscheka-Ausweis, ausgestellt auf den Namen Grigori Ernenzoff. Ja, dachte ich, natürlich. Man hatte es schon damals ahnen können.
    Ich ging in die Hocke und öffnete den Verschluß seines Hebammenköfferchens. Darin lagen eine Mappe mit Blanko-Haftbefehlen, zwei weitere Magazine, ein Blechdöschen voll mit Kokain, außerdem eine Art OP-Zange, die so widerwärtig aussah, daß ich sie sofort in eine Ecke schleuderte, sowie ein Packen Geldscheine – obenauf die regenbogenfarbigen Hundertrubelnoten der Reichsduma, zuunterst die Dollarscheine. Alles in allem sehr nützliche Dinge. Um mich nach dem Schock etwas aufzurichten, stopfte ich mir eine gehörige Menge Kokain in die Nasenlöcher. Das fuhr ins Hirn wie ein Messer, und ich wurde sofort ruhig. Zwar mochte ich Kokain nicht besonders (es machte mich immer so sentimental), jetzt aber hatte ich allen Grund, möglichst rasch zu mir zu

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