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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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gehen.
    Mit einem Knicks, wie sie es schon als kleines Kind getan hatte, verabschiedete Minna sich, bevor sie den Raum verließ, obwohl er gerade mit dem Rücken zu ihr stand.
    Danke, Papa.
    Den Vorsatz, sofort ihren Bruder von dem Vorhaben zu überzeugen, ließ sie fallen. Als Louis-Théodore sie nach dem Mittagessen bat, mit ihm zur Zerstreuung spazieren zu gehen, hakte sie sich schweigend bei ihm unter. Im fahlen Februarlicht gingen sie von der Wilhelmerbrücke aus ein Stück an den Schiffsleutstaden längs der Ill entlang. Es lag kein Schnee, es war still. Ihr Bruder wollte nicht anfangen, von Georg zu reden, sah sie aber hin und wieder unbeholfen von der Seite an. Weiter bis zum Jüdentor und dann hinaus zu den Contades wollte Minna nicht gehen. Nach kaum einer Viertelstunde kehrten sie um.
    Auch beim Abendessen schwieg sie. Vater und Bruder ließen sie in Ruhe. Bevor sie aufstand, sagte sie mit leiser Stimme: Wenn er stirbt, soll der Herrgott die Sonne ausblasen.
    Darauf schlug Jaeglé mit der flachen Hand auf den Tisch. Minna!
    Sie sprang ohne Gruß von ihrem Platz auf und ging zu Bett.
    Am Montag war bis zum frühen Nachmittag keine weitere Nachricht aus Zürich eingetroffen. Jaeglé deutete dies als gutes Zeichen. Minna nicht. Sie passte ihren Bruder im Treppenhaus ab.
    Du könntest dich freimachen, um mich zu begleiten, Louis? Ich fürchte das Schlimmste, weißt du.
    Nach einem tiefen Einatmen legte er Überzeugung in seine Stimme und sagte: Aber ja, Minna!
    Er hatte noch so knabenhafte braune Augen und wollte doch so gerne dem Bannkreis des alten, würdigen Vaters entkommen.
    Wir werden Papa überzeugen, sagte er.
    Doch Jaeglés Gesicht vergrub sich in Sorgenfalten, als sein Sohn vor ihm stand und für die Schwester sprach. Er hob seine Hände bis über den fast kahlen Schädel.
    Kinder! Ich weiß nicht. Eine Reise nach Zürich mitten im Winter. Die lange Fahrt, die unsicheren Straßen, die frühe Dunkelheit!
    Minna hielt ihre Tränen nicht zurück. Louis war verunsichert und beleidigt.
    Vater, seht Minna doch an! Ich kann sie gut begleiten. Wie soll sie besser aufgehoben sein?
    Ein entschiedenes Nein war die Antwort.
    Vater, hörte sich Louis sagen. Vater, das ist … das ist unmenschlich!
    Hier zog Minna den Bruder aus dem Zimmer hinaus.
    Am Dienstag schickte man das Dienstmädchen nach einigen Verwandten mit je einem Billett, das über die Lage informierte. Es sollte eine angemessene Begleiterin gefunden werden. Minna bestand darauf, dass geschrieben wurde: Es ist das Schlimmste für Büchners Leben zu befürchten.
    Am Abend erklärte sie, dass sie sich jetzt nicht mehr halten ließe. Sie begann zu packen.
    Jaeglé konnte dem nicht zusehen. Er hatte sich mittlerweile von der Todesahnung Minnas anstecken lassen. Aber die Angst um seine Tochter war größer.
    Minna schimpfte auf die armseligen Rücksichten, diese verschrobene sittliche Bedenklichkeit, in der ihr Bruder zur Reisebegleitung als nicht hinreichend betrachtet wurde.
    Jaeglé drückte ihre Hände in den seinen, entschuldigend und tröstend, nickte stumm und ging langsam zu seiner Schlafkammer hinauf.
    In dieser Nacht schlief Minna besser. Es war ein Entschluss gefasst, und würde sich sonst niemand als Begleitung finden, reiste sie eben mit Louis-Théodore oder allein!
    Am Mittwoch kam morgens ein Bote mit einer Nachricht von Margareta Schmidt. Sie war eine Verwandte von Minnas Mutter, erst Anfang vierzig, jedoch bereits die Witwe eines Pfarrers. Tante Greta, wie sie genannt wurde, führte Minna das Bild ihrer eigenen Mutter vor. Die Falten um die tiefliegenden dunklen Augen, die grauen Strähnen und überhaupt dieser ewige Ausdruck des Aushaltens im Blick. Das Leben muss ausgehalten werden, sagte Minnas Mutter oft. Dazu noch die gleichen Vornamen wie die ihrer Mutter. Margaretha Salome. Aber es war kaum eine Bessere zu finden, die mit nach Zürich reisen konnte.
    Wer soll es denn sonst tun? Die alten verwitweten Tanten sind für solche Dinge zuständig, sagte Greta, als sie das Haus betrat. Hinter ihr wurden ein schwerer Koffer und eine bestickte Reisetasche hereingetragen und neben Minnas Gepäck abgestellt.
    Minna fiel der Tante um den Hals, vor Erleichterung und Schwäche, mit feuchten Augen.
    Sie fasste sich und sagte: Der Wagen nach Kehl fährt nach dem Essen ab.
    Der dunkelgrüne Mantel umhüllte vollständig Minnas Kleid. Der Pelzkragen kitzelte sie am Kinn. Dazu noch eine kurze Pelerine mit Kapuze, der Pelzmuff in den Händen. Um ihre

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