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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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Furcht vor dem Blutgerüst zu dem Entschluss, sich selbst zu ermorden, sondern der Schmerz, welcher ihn bei der Nachricht von der Hinrichtung seiner Gattin übermannte.«
    Es war leicht gewesen, darüber zu spekulieren, und Minna und Caroline hatten den Kopf geschüttelt und Zweifel angemeldet. Zu sehr waren sie gute, christliche Töchter.
    Aber sie wollten Georg hören, der weiter sprach: Hört auf mit diesem Prüfungsstand, der das Leben sein soll. Dann wäre das Leben nur ein Mittel. Aber es ist der Zweck selbst. Die Entwicklung ist der Zweck des Lebens, es ist Entwicklung.
    Seine Stimme bekam Nachdruck, er ging umher, suchte den weiten Blick durchs Fenster, er dozierte: Hier könnte man dem Selbstmord den einzigen Vorwurf machen: Diese Entwicklung würde vor der Zeit abgeschnitten. Und schließlich, »der Selbstmörder aus physischen oder psychischen Leiden ist kein Selbstmörder, er ist nur ein an Krankheit Gestorbener«.
    Wie du sprichst, mein George.
    Was meinst du, Minna? Er nahm seine Brille ab, als er wieder nahe bei ihr war.
    Ach nichts, nein, ich höre dich nur so gerne reden, George.
    Wie unsinnig hatte sie sich damals herausgeredet. Ihr war himmelangst gewesen, wenn sie daran dachte, was dieser Feuerkopf, ihr Verlobter, noch alles reden undschreiben würde. Dinge, die der Obrigkeit missfielen. Sie wusste es doch von Anfang an.
    ***
    An diesem Leid zergehen, zerbrechen, sterben. Die an der Krankheit des Unerträglichen Gestorbenen! Roland und Julie Danton. Wie unerträglich konnte das Alleinsein noch werden, fragte sich Minna. Sie hatte den »Danton« mehrmals gelesen. Julie wollte ihrem Danton gleich folgen, und dann die Stelle, als sie die Phiole nimmt: »Komm, liebster Priester«, sagt sie, »dessen Amen uns zu Bette gehn macht. Es ist so hübsch, Abschied zu nehmen.«
    Diese Julie tut sich so leicht, hier auf dem Papier. Die papierne Julie, dachte Minna und hatte Zürich verlassen, und nichts war hübsch gewesen. Sie war zurück nach Straßburg gefahren.
    Der Vater sagte ihr, Dantons Frau heiße Louise und habe sich nicht umgebracht. Sie lebe noch immer.
    Gott sei mit dir, mein Kind. Immer öfter begann der Vater nach Georges Tod von Gott als dem Beschützer zu reden.
    Ich bete jeden Tag für dich, dass der Erlöser sich deiner annehme.
    Minna mochte diese Reden nicht hören, die ungewohnt pietistisch von ihrem Vater klangen, der so heiter gewesen war, so pragmatisch und der Welt zugewandt sein Amt ausgeübt hatte. Dabei schrieb sie selbst an den Freund Boeckel: »Der Himmel möge sich meiner erbarmen und mich nur noch so lange leben lassen als meinen alten Vater.«
    Ein altes Leiden brach auf, eine Nesselsucht, die dieHaut hinter den Ohren bis auf Hals und Brust hinunter befiel, als wäre sie mit rosa Grieß bestreut. Schon als Kind, bei jedem Umzug war ihr der Nesselausschlag bis zum Bauchnabel gelaufen. Sie fieberte ein wenig für drei Tage, dann war es vorbei.
    Im Fieber, ohne dieses wahrzunehmen, setzte sie eine Todesanzeige auf, beugte sich dabei tief im Kerzenlicht über die Schreibplatte ihres offenen Sekretärs, die Hände, unsicher, feucht, konnten die Feder schlecht halten, die Wangen gerötet, zwei Haarsträhnen musste sie fortwährend hinter die Ohren schieben.
    Zur Benachrichtigung von Georgs Freunden ließ sie Karten drucken.
    »Charles-George Büchner, Docteur en philosophie, Professeur à l’Université de Zurich, membre correspondant de la Société du Muséum d’histoire naturelle de Strasbourg, a succombé à une fièvre nerveuse, le 19 février 1837, à l’âge de 24 ans. Les amis du défunt ont l’honneur de vous en faire part.
    Strasbourg, ce 27 février 1837.«
    Sie unterzeichnete nicht als die Verlobte, nicht als Familie Jaeglé, auch nicht im Namen der Familie Büchner. Sie verschanzte sich hinter den Worten »die Freunde des Verstorbenen«. Sie rundete Georges Alter auf vierundzwanzig, obgleich er erst dreiundzwanzig Jahre und vier Monate alt war. An Georgs Eltern schrieb sie: »Mein Leben gleicht einem schwülen Sommertage! Morgens heitere angenehme Luft – in etlichen Stunden Sturm und Gewitter, zerknickte Blumen, zerschlagene Pflanzen. Meine Ansprüche auf Lebensglück, auf eine heitere Zukunft zu Grabe getragen, Alles, Alles verloren.«
    Eher Unruhe empfand sie als Schwäche. Die ständigen Fragen ihres Bruders Louis-Théodore, ob er ihr etwas helfen könne, beantwortete sie fahrig.
    Ja, hier. Lasse den Text in die Druckerei bringen. Gutes Papier soll man

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