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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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nehmen.
    Sie lernte, sich in der Trauerzeit einzurichten, geradezu eingebettet und sicher fühlte sie sich. Das Danach lag undeutlich wie hinter einer Papierwand, an der sie nicht rühren wollte. Aber es regte sich in ihr, ganz allmählich, das, was die Trauer nach Wochen ablöste, die Wut über den Verlust und als Alleingelassene leben zu müssen.
    Eine lästige alte Schwester würde sie nun für den Bruder werden. Das soll nicht so sein, beteuerte sie ihm, und er, der sie kaum in der Trauer trösten konnte, rettete sich in den Satz: Ich werde dir immer helfen, Minna.
    Sie lächelte und wollte nicht zugeben, wie sie dieser Satz doch stärkte.
    Der Vater wurde schwach. Es trat tatsächlich ein, was der Freund Wilhelm Hoffmann in einem Brief vermutet hatte. Der plötzliche Tod seines zukünftigen Schwiegersohnes war für Pfarrer Jaeglé ein so schwerer Schlag, dass er ihn bald ins Grab brachte.
    Den vor kurzem noch so tatkräftigen, stämmigen Mann hatte Minna pflegen müssen, und innerhalb weniger Wochen stand sie mit Louis-Théodore am Sterbebett. Ihr »kleiner« Bruder, der doch fast zwei Kopf größer war als sie, der sie hatte stärken wollen, heulte zum Erbarmen. Der Vater starb am 21. Oktober 1837.
    ***
    Louis-Théodore hatte eine Zukunft, er studierte Chemie und plante seinen Weg in diese aufregende Wissenschaft genau.
    Er wird endlich erwachsen, dachte Minna, wenn sie ihm zusah, wie er sich um die Papiere kümmerte, die Auflösung des Haushaltes. Aus dem jungenhaft und verträumt wirkenden kleinen Bruder wurde ein Mann.
    Wir müssen uns mit dem Ersparten absichern, erklärte er und zeigte ihr Bankunterlagen des Vaters. Er hatte gespart für seine Kinder. Sie saßen am Esstisch des Speiseraumes, der seine Fenster an der Front des Pfarrhauses zu St.-Guillaume hatte, hinunter zum »Warmwässerle«, einem kleinen Brunnenplatz. Der Tisch war es, an dem sie so viele Fremde, so viele neue Studenten empfangen hatten, wo der Vater, souverän und gesprächig, ein beliebter Gastgeber gewesen war.
    Ebenso war hier in diesem Haus Minna die gewandte Gastgeberin geworden, da sie bereits mit siebzehn Jahren, nach dem Tod der Mutter, den Haushalt hatte führen müssen.
    Du wirst wissen, was mit dem Geld anzufangen ist, sagte Minna, nicht als Frage an Louis-Théodore, sondern als Erwartung.
    Ja, ich habe einiges durchdacht. Mein Studium ist so gut wie beendet, eine Weile bin ich noch in Straßburg, aber dann wissen wir ja nicht, wohin ich gehen werde.
    Minna war wie immer, wenn die jungen Männer von ihren Plänen, von fremden Städten sprachen, etwas neidisch. Sie wusste auch, Louis-Théodore liebäugelte von jeher mit England, dort, wo die Chemie einen festen Stand hatte.
    Wir sollten den größten Teil des Geldes in ein Privatdarlehenlegen. Die Zinsen daraus werden dir Wohnung und ein tägliches Auskommen sichern.
    Es schien Minna eine vernünftige Entscheidung. Was sollte sie darüber nachdenken? Vor einem Jahr noch hatte sie ihre Zukunft als Gattin eines Professors Büchner in Zürich gesehen. Jetzt war sie sechsundzwanzig und keine Witwe, die sich auf die Hinterlassenschaft eines Mannes stützen konnte.
    Sie betrachtete ihre Hände. »Mademoiselle jolis pieds et jolies mains«, nannte sie George, und dieses »Fräulein Schönfuß und Schönhand« übernahmen auch Freunde Georges. Sie selbst fand keine besondere Aufgabe darin, sich hübsch zu machen, doch hatte es ihr gefallen, für ihre großen dunklen Augen und ihre kleinen, feinen Hände Komplimente zu hören. Seit Büchners Tod hatte niemand mehr dergleichen erwähnt. Wer hätte das wagen sollen! Sie wollte auch nichts hören und denken vom Hübsch- und Adrett-Sein, vom Werben der Männer. Er war tot! Ein anderer interessierte sie nicht.
    Und nun dem Bruder eine Weile den Haushalt führen, um bald eine alte Jungfer genannt zu werden.
    Was hast du, Minna?
    Nichts, es ist nur – es ist alles so restlos anders.
    Sie sortierten die Dinge des Haushaltes um und aus, mussten entscheiden, was bei ihnen blieb, zurückgewiesen auf zwei Zimmer im Haus, in dem sie noch eine Weile wohnen konnten. Als Mieter des neuen Pfarrers.
    Aus Briefen, Büchern und Schreibmappen, aus Tintenfässern und Tabaksdosen, selbst aus Vorhängen und Teppichen, die aus Barr mit hierher nach Straßburg gekommen waren, sprachen Geschichten und Gesichteraus vielen Jahren. Eine Reihe von Services, Kannen und Tassen, Ausstattung für einen gastlichen Haushalt, bei einem der wichtigsten Pastoren, dem

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