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Büchners Braut: Roman (German Edition)

Büchners Braut: Roman (German Edition)

Titel: Büchners Braut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Klepper
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auf sie ab. Doch es steckte Zurückhaltung und Abwehr allem Groben und Rohen gegenüber dahinter.
    Der Pfarrer war gebildet, das wusste jeder im Dorf, und seine Frau war das Bindeglied zwischen diesem fernen Gottesmann und seiner einfachen Gemeinde. Die Mutter war als Pfarrfrau auf dem Land halb Bäuerin und im Innern – so wollte man es sehen – die ganze Frau des Pfarrers.
    Vor den Bücherregalen des Vaters stand Minna, den Kopf in den Nacken gelegt, roch das Papier, den seltsamen Samtgeruch, der von der Druckfarbe herrührte, was sie aber nicht wusste. Dieser Geruch setzte sich hartnäckig gegen den bissigen Stall- und Modergeruch des Hauses durch.
    Der Vater las ab und an vor, selbst wenn er wusste, seine Tochter verstand kaum etwas davon. Es war die unbeholfene Freude aller Väter, die in den Augen ihrer Kinder etwas wie Interesse und Klugheit zu sehen glauben.
    Na, Minnele, war das eine hübsche Geschichte?
    Sie krauste ihre Nase, lachte und zog die Schultern hoch, versteckte sich in der Verlegenheit, jetzt nicht sagen zu können: Es war schön zu hören, auch wenn ich nichts verstanden habe. Der Vater nannte den Namen des Mannes, der diese Geschichte geschrieben hatte. Gottfried August Bürger hieß er, ein einfacher, aber heller Geist, war nun auch schon vor langen Jahren gestorben.
    Die Vaterstimme war ruhig und tief. Er rieb sich beim Lesen oft über die faltigen Augenlider, die Pausbacken und die grauen Haare. Wenn er zum Gottesdienst die Perücke und den steifen weißen Kragen anlegte, sah er alt aus, noch älter, als er war. Er war über fünfzig und seine Frau Anfang dreißig.
    Minna hörte die deutliche deutsche Stimme ihres Vaters. Französisch sprach er in gleicher Perfektion. Bei der Mutter gab es den Einschlag des Schwäbischen und des Elsässerditschen. Sie sprach wie die Bäuerinnen. Minna wollte das nicht, verstand nicht, warum ihre Mutter sich mit ihnen so vertraut gab.
    Diese Sprache war so breit wie ein Pfannkuchen, die Laute traten singend aus den Mündern. Der Dialekt war für die Küche, für die heitere Unterhaltung gut, für alles, was man Tag für Tag zu bereden hatte. Wie ein Pfannkuchen, dachte sie noch einmal: Er schmeckte und nährte, hatte seinen Nutzen.
    Auch Minna lernte das Elsässerditsch als Muttersprache, weil alle im Dorf so sprachen, weil sie mit den Kindern spielen wollte, weil man ihr sagte, es sei gefällig und gottesfürchtig, sich vor den Bauern und Winzern nicht besser zu geben.
    Noch in Goxwiller, mit sechs oder sieben Jahren, als sie zusammen mit den anderen Kindern den Unterricht ihres Vaters besuchte, begann sie, mit dem Finger im Sand, auf beschlagenen Fensterscheiben oder mit roten Ziegelbrocken auf den Mauern, den anderen die Schreibweise der Wörter zu zeigen. Sie konnte nicht begreifen, wie die Kinder partout ein Wort im Französischen und Deutschen nicht gleichermaßen behalten konnten.
    Sie wehrte sich gegen dieses Landleben, und sie kämmte den Mädchen die Zöpfe, weil sie hoffte, sie müssten dann einen Funken eines besseren Lebens fühlen. Aber keine kam jemals mit ihr zu dem Bücherregal ihres Vaters. Sie brauchte lange, bis sie verstand, dass die Kinder niemals gewagt hätten, die Arbeitsstube des Pfarrers zu betreten. Erstaunt war sie über die verlegenen Gesichter.Nein, da gingen sie nicht hinein! Für stur und dumm hielt sie die Mädchen, denn wie sonst sollte diese Ablehnung zu erklären sein, gegen sie, gegen ihren Vater.
    Sie spielten mit ihr, und trotzdem blieb kein Kind enger bei ihr. Sie war die Pfarrer-Minna, die schöne Schuhe und eine schöne Puppe besaß.
    Saß sie neben einem Mädchen auf der Gartenbank und zeigte ihm ihre Puppe, wischte das Kind zögernd die Hände an der Schürze ab, um die Puppe vorsichtig auf den Arm zu nehmen.
    Nimm sie doch richtig! Minnas Aufforderung wurde nicht gehört.
    Ob in Scharrachbergheim oder Goxwiller. Sie hätte nie mit einem der Mädchen tauschen mögen, aber sie hätte sie gerne bei sich gehabt. Und sie schrieb mit roten Ziegelstein- oder Kreidestückchen auf Bretter und Mauern die Worte, die den anderen Kindern so schwerfielen.

1840, Straßburg und Darmstadt
    Das Haus gehörte dem Theologieprofessor Charles Schmidt, der Minnas Cousine Julie-Pauline geheiratet hatte. Hier in der Rue des Cordonniers No. 8 dachte Minna über ihre nächste Zukunft nach.
    Julie nannte Charles »mein Gatte«. Der gute Charles. Der Unentbehrliche, der Beratende, der Stille. Minna mochte ihn. Sie musste ihn mögen. Sie

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