Buehne frei Prinzessin
schockte mich jetzt echt. Kein Wunder, dass Mom so geworden ist, wie sie ist. »Er hat dich betrogen????«
»Nein, nein.« Sie winkte ab. »Wir waren schon auseinander, als er mit April zusammengekommen ist.«
Ich nickte wissend. »Du meinst, ihr habt euch geliebt, aber die Umstände waren gegen euch?« Genau wie bei Dave Farouq El-Abar und Tina Hakim Baba!
Mom lachte. »Nein, Mia! Du hast echt eine unglaubliche Gabe, alles so hinzudrehen, dass es klingt wie aus einem Kitschfilm. Wir waren zusammen und alles war wunderbar, aber nach einiger Zeit hab ich gemerkt, dass... na ja, ich wollte aus Versailles weg und er nicht. Wir hatten unterschiedliche Lebensvorstellungen, also bin ich weggezogen und er ist dort geblieben und hat April Pollack geheiratet.«
Genau wie Dean von den »Gilmore Girls«, der dann auch eine andere geheiratet hat!
»Aber...?« Ich sah Mom scharf an. »Du hast ihn schon geliebt, oder?«
»Na klar, hab ich ihn geliebt«, versicherte Mom mir. »Mannomann... Wendell Jenkins – an den hab ich wirklich seit Jahren nicht mehr gedacht.«
WAHNSINN! Nicht zu fassen, dass Mom keinerlei Kontakt mehr zu dem Mann hat, der sie entjungfert hat! Das müssen echt komplett andere Zeiten gewesen sein.
»Sag mal, Mia... wieso stellst du mir eigentlich all diese Fragen?«, wollte Mom plötzlich wissen. »Ist es wegen Michael, überlegt ihr etwa...?«
»Nein!« Ich schüttelte heftig den Kopf und drückte ihr Rocky in die Arme.
»Mia, du kannst gern mit mir über alles...«
»Will ich aber echt nicht«, sagte ich hastig.
»Falls du nämlich...«
»Ich will nicht«, sagte ich noch einmal. »Und jetzt muss ich Hausaufgaben machen. Tschüss!«
Und damit bin ich in mein Zimmer und hab die Tür abgeschlossen.
Langsam glaub ich, dass mit mir irgendwas nicht stimmt. Ganz im Ernst. Als Mom sich an Wendell Jenkins erinnert hat, da hat man voll gemerkt, dass es schön für sie gewesen ist. Mit ihm zu schlafen, meine ich. Irgendwie finden das immer alle ganz toll. In Filmen und im Fernsehen. Alle tun so, als sei das für sie absolut die wichtigste Erfahrung ihres Lebens. Nur ich sehe das nicht so. Wie kann es sein, dass ich der einzige Mensch bin, der bei dem Gedanken daran bloß… ins Schwitzen kommt? Und zwar nicht aus Vorfreude. Das muss auch so eine genetische Anomalie in meiner DNS sein, genau wie das völlige Nichtvorhandensein von Brustgewebe und meine Riesenfüße. Mir fehlt das Sexbedürfnis-Gen, und zwar total.
Dabei will ich es ja eigentlich schon mal machen. Ich meine, ich glaub, dass es das ist, was ich will, wenn Michael und ich uns küssen und ich an seinem Hals rieche und mich dieses Bedürfnis überkommt, über ihn herzufallen. Das ist ja wohl eindeutig ein Anzeichen dafür, dass ich es theoretisch schon will.
Nur dass man sich dazu AUSZIEHEN muss. VOR DEM ANDEREN. Wenn man nicht gerade eine orthodoxe Jüdin ist und es durch ein Loch im Bettlaken macht wie Barbra Streisand in diesem Film »Yentl«.
Ich glaub einfach, dass ich jetzt noch nicht dazu bereit bin, mich vor Michael auszuziehen. Es fällt mir ja schon schwer genug, mich morgens im Umkleideraum vor Lana Weinberger auszuziehen. Ich glaub nicht, dass ich es schaffen würde, mich vor einem JUNGEN auszuziehen. Erst recht nicht vor einem Jungen, in den ich verliebt bin und den ich eines Tages hoffentlich heiraten werde, falls er mir jemals einen Antrag macht und ich über diese gestörte Phase des Mich-nicht-vor-ihm-ausziehen-Wollens hinweg bin.
Wobei ich absolut nichts dagegen hätte, Michael mal ohne Klamotten zu sehen.
Ist das irgendwie doppelmoralisch?
Ob es Mom mit Wendell Jenkins wohl genauso ging? Bestimmt, oder? Sonst hätte sie ja nicht mit ihm geschlafen.
Und trotzdem weiß sie über zwanzig Jahre später nicht mal, wo er jetzt wohnt und was er macht.
Ha, ich wette, ich könnte ihn finden. Ich tippe mal seinen Namen bei Google ein!
O GOTT!!!! ICH HAB IHN!!!!! WENDELL JENKINS!!!!! Okay, ich hab zwar kein Foto von ihm gefunden, aber er arbeitet für das Elektrizitätswerk in Versailles!!!! Er ist der Mann, der kommt, wenn nach einem Tornado oder so die Stromleitungen nicht mehr funktionieren!!!!!
Ich fasse es nicht – meine Mutter hat ihre Blume der Jungfräulichkeit einem Mann geschenkt, der jetzt beim E-Werk in Versailles arbeitet!!!!!!!!!!!!!!!
Nicht dass es schlimm wäre, für das E-Werk zu arbeiten. Das ist letzten Endes auch nichts anderes, als an einer Highschool Mathe zu unterrichten.
Aber Mr G muss wenigstens
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