Buehne frei Prinzessin
einzumarschieren!‹, rief sie und schwenkte den abgetrennten Schädel.
Die verängstigten Söldner, die vermuteten, dass dieses junge, scheinbar wehrlose Mädchen nur ein Vorgeschmack auf die tapferen Recken war, die sie auf genovesischem Boden erwarteten, sammelten eilig ihre Waffen ein und ritten dorthin zurück, von wo sie gekommen waren. Amelie aber kehrte mit dem abgetrennten Haupt des Grafen als Beweis zu ihrer Familie zurück, wurde als Retterin des Landes gefeiert und lebte zufrieden und glücklich bis ans Ende ihrer Tage in ihrem Heimatland.«
Grandmère entsicherte einen winzigen Riegel und ließ das Medaillon aufschnappen...
»Und das«, rief sie mit zitternder Stimme, »ist alles, was von der heiligen Amelie heute noch erhalten ist.«
Ich warf einen Blick in das Medaillon.
»Aha«, sagte ich.
»Keine Angst«, ermutigte mich Grandmère. »Fass es ruhig an. Das ist ein Anrecht, das allein der genovesischen Fürstenfamilie derer von und zu Renaldo vorbehalten ist, und du darfst es gern wahrnehmen.«
Ich berührte das Ding, das in dem Medaillon lag. Es sah aus wie ein Stein und fühlte sich auch so an.
»Aha«, sagte ich noch einmal. »Danke, Grandmère, aber ich weiß nicht, inwiefern es mich jetzt irgendwie aufmuntern soll, den Stein von irgendeiner Heiligen anzufassen.«
»Das ist kein Stein, Amelia«, sagte Grandmère verächtlich. »Das ist das versteinerte Herz der heiligen Amelie!«
Auuuuuuuuuugggggggghhhhhhhhh!!!!
Deswegen ist Grandmère bei mir ins Zimmer reingeplatzt? Um mir DAS zu zeigen? So will sie mich aufmuntern??? Indem sie mich das versteinerte HERZ von irgendeiner Heiligen anfassen lässt?????
WIESO KANN ICH KEINE NORMALE GROSSMUTTER HABEN, DIE MIT MIR INS SERENDIPITY GEHT UND MIR EIN SCHOKOLADENEIS SPENDIERT, statt mich dazu zu bringen, versteinerte Organe zu streicheln??????
Ja, okay, ich hab’s verstanden. Ich hab verstanden, dass ich nach einer Frau benannt bin, die in einem Akt unglaublicher Tapferkeit ihr Land gerettet hat. Ich hab verstanden, dass Grandmère mir rechtzeitig vor dem wichtigen Rededuell gegen Lana morgen ein bisschen was von Amelies Mut einimpfen wollte.
Aber leider ging ihr schöner Plan nach hinten los, weil es nämlich ganz offensichtlich so ist, dass diese Amelie und ich – vielleicht mit Ausnahme unserer Liebe zu Ziegen – NICHTS gemeinsam haben. Ja klar, Rocky hört auf zu weinen, wenn ich ihm etwas vorsinge. Aber bis jetzt ist noch niemand angerannt gekommen und hat mich dafür heilig gesprochen. Außerdem bezweifle ich sehr stark, dass Amelies Freund zu ihr gesagt hat:
»Ich möchte aber nicht ewig warten.« Nicht solange sie die Axt bei sich trug.
O Mann, ist das alles deprimierend. Noch nicht mal meine eigene Großmutter glaubt, dass ich ohne himmlischen Beistand gegen Lana eine Chance hab. Das ist echt tröstlich. Oh, super! Ich darf nach Hause.
Sonntag, 6. September, 21 Uhr, zu Hause
Ich bin ja sooooooo glücklich, wieder zu Hause zu sein! Von meinem Gefühl her war ich viel, viel länger weg als bloß zwei Tage. Im Ernst. Es fühlt sich an, als sei es ein JAHR her, dass ich das letzte Mal auf meinem Bett lag. Mit Fat Louie, der sich zu meinen Füßen zusammengerollt hat und sich die Seele aus dem Leib schnurrt, während die süßen Gesänge von Lush mein Ohr umschmeicheln. Ich kann die Musik jetzt laut hören, weil ich nicht mehr auf Rockys Schreie achten muss, seit Mom ihn von seiner Schrei-um-Aufmerksamkeit-Taktik kuriert hat. Ihr Trick bestand darin, ihn bei Mama und Papa zu lassen, während sie und Mr G sich auf dem Parkplatz des örtlichen Schreibwarenladens eine Oldtimer-Ausstellung anguckten (die einzig annähernd kulturelle Veranstaltung, die Versailles dieses Wochenende zu bieten hatte).
Und als sie nach Hause kamen – vier Stunden später -, saßen Mama und Papa immer noch ganz genau so da, wie sie dagesessen hatten, als Mom und Mr G gegangen waren (vor dem Fernseher, wo sie Wiederholungen von »Amerikas lustigste Familienvideos« schauten), und Rocky schlief tief und fest. Mama sagte nur trocken: »Meine Güte, kann der brüllen!«
Mom ist stolz darauf, wie tapfer Mr G den Besuch bei ihren Eltern durchgestanden hat. Sie hat gesagt, wenn sie nicht schon vorher gewusst hätte, dass er sie liebt, wüsste sie es jetzt mit Sicherheit, weil kein anderer Mann ihretwegen freiwillig so viele Peinlichkeiten auf sich genommen hätte – die unter anderem
in einer Fahrt auf Papas Traktor bestanden (Mr G sagt, das traktorähnlichste
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