Buehne frei Prinzessin
versteht, der dieselben Ideale hat wie ihr, dieselben Hoffnungen und Träume? Jemanden, der sein Bestes tun wird, dafür zu sorgen, dass EURE Stimme gehört wird und nicht die Stimme der angeblich so Beliebten?«
Als ich das sagte, ertönte wieder ein Juchzer, der diesmal aus
einer ganz anderen Ecke kam und eindeutig nicht von den Plätzen, wo meine Freunde saßen.
Dem zweiten Juchzer folgte ein dritter, und dann brandete Applaus auf und jemand rief: »Bravo, Mia!«
Boah.
»Äh, danke, Mia.« Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Mrs Gupta auf mich zusteuerte. »Das war sehr aufschlussreich.«
Aber ich tat so, als hätte ich sie nicht gehört.
Ungelogen. Mrs Gupta gab mir das Zeichen, dass ich mich wieder setzen und aus dem Rampenlicht treten sollte.
Und ich ignorierte sie einfach.
Weil ich nämlich noch etwas loswerden wollte.
»Aber das ist nicht das Einzige, was an dieser Schule verkehrt läuft«, sagte ich ins Mikrofon und fand es richtig cool, wie meine Stimme verstärkt wurde und in der ganzen Turnhalle widerhallte.
»Wie kann es angehen, dass an dieser Schule Leute tätig sind – Leute, die sich Lehrkräfte nennen -, die sich selbst für das Maß aller Dinge halten? Müssen wir wirklich dulden, dass Lehrkräfte, die ein Fach unterrichten, in dem die Bewertung so subjektiv ist wie zum Beispiel… hm, zum Beispiel in Englisch... unsere Aufsätze schlecht finden, nur weil sie unser frei gewähltes Thema nicht tiefschürfend genug finden und persönlich einen anderen Schreibstil bevorzugen?
Angenommen ich schreibe einen Aufsatz über die historische Bedeutung japanischer Anime oder Mangas, ist mein Aufsatz dann weniger wert als der eines anderen Schülers, der beispielsweise über diesen Supervulkan unter dem Yellowstone Nationalpark schreibt, der eines Tages explodieren und zehntausenden von Menschen den Tod bringen wird?«
Während meine Zuhörer aufgeregt zu tuscheln begannen, weil sie wohl nicht gewusst hatten, dass der Yellowstone Park in Wirklichkeit ein Sammelbecken todbringenden Magmas ist und viele wahrscheinlich ahnungslos ihre Familienurlaube
dort verbracht hatten, fuhr ich fort: »Oder ist mein Aufsatz über Mangas und Anime nicht vielleicht GENAUSO WICHTIG wie der Aufsatz über den Vulkan im Yellowstone Park, weil wir – gerade angesichts der Bedrohung der Menschheit – etwas Unterhaltung benötigen, zum Beispiel in Form von Anime oder Mangas, um auch mal an etwas anderes denken zu können?«
Einen Moment lang herrschte betroffenes Schweigen, bis jemand aus der Mitte der Tribüne brüllte: »Final Fantasy!«, und ein anderer: »Dragonball!«, und ein Dritter: »Pokemon!« , worauf alle in lautes Gelächter ausbrachen.
»Mag sein, dass das Fernsehen und die Lotterien nur erfunden worden sind, um Konsumprodukte zu verkaufen und die Arbeiter um ihr schwer verdientes Geld zu erleichtern und uns alle in einer trügerischen Zufriedenheit einzulullen, um uns von den wahren Gräueln der Welt abzulenken. Aber vielleicht brauchen wir diese Ablenkung auch, damit wir wenigstens in unserer Freizeit mal Spaß haben können. Ist es denn so verwerflich, nach getaner Arbeit entspannt ein bisschen ›O. C., California‹ zu gucken? Oder Karaoke zu singen? Oder Comics zu lesen? Muss denn immer alles kompliziert und schwer verdaulich sein, um als kulturell wertvoll zu gelten? Wenn wir in ein paar hundert Jahren alle tot sind, weil der Supervulkan im Yellowstone Nationalpark ausgebrochen ist oder die Polarkappen geschmolzen sind oder wir alle erfroren sind, weil es keine Erdölvorräte mehr gibt oder die Killeralgen den Planeten überwuchert haben… wenn dann die paar Leute, die von der menschlichen Zivilisation übrig geblieben sein werden, auf die Gesellschaft des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts zurückblicken, was wird dann wohl besser widerspiegeln, wie wir wirklich gelebt haben – ein Aufsatz darüber, auf wie viele verschiedene Arten wir von den Medien ausgebeutet werden oder eine Folge ›Sailor Moon‹? Tut mir Leid, aber soweit es mich angeht, kann ich nur sagen: Gebt mir Animes oder gebt mir den Tod. «
Die Turnhalle explodierte.
Und zwar nicht, weil es den Leuten aus der Computer-AG endlich gelungen war, den Killerroboter zu bauen und auf die Cheerleader zu hetzen.
Sondern wegen dem, was ich gerade gesagt hatte. Im Ernst. Wegen dem, was ich – Mia Thermopolis – gesagt hatte.
Dabei war ich noch nicht fertig.
»Deswegen bitte ich euch...«, ich musste schreien, um das laute Klatschen
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