Buerger, ohne Arbeit
Republik wollen Schröder, Henkel, Westerwelle und Co.? Berlin 1998, S. 33.
273
Das bislang letzte Aufgebot authentisch sozialdemokratischer Reformen stellte die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt.
»Mehr Demokratie wagen!«, das schloß die Ausweiterung betrieblicher Mitbestimmung, der Rechte der arbeitenden Mehrheit ebenso
ein wie die Öffnung der Gymnasien und Hochschulen für breitere Bevölkerungsschichten (mit durchaus bescheidenem Erfolg, was
die Kinder von Arbeitern und kleinen Angestellten anbetraf). Derselben Legislatur entsprang freilich auch der »Radikalenerlaß«,
der Schnüffelstaat, der noch den Schalterbeamten bei der Post unter die Lupe nahm.
274
Anthony Giddens: Die Frage der sozialen Ungleichheit. Frankfurt a. M. 2001, S. 41, Hervorhebung von mir.
275
|403| Ich beziehe mich hier auf das Schröder-Blair-Papier aus dem Jahr 1999.
276
Zum folgenden Landes: Wohlstand und Armut, Kap. 10 –12.
277
Vgl. Hans-Werner Sinn: Ist Deutschland noch zu retten? München 2004, vor allem Kap. 1 u. 2.
278
Hier stimme ich ausnahmsweise mit Hans-Olaf Henkel überein (abzüglich seines Plädoyers für die Privatisierung der Bildung).
Vgl. dessen Ethik des Erfolgs, 5. Kap.
279
»Mag sein, daß es praktisch nicht anders geht. Aber man muß dann wenigstens so viel Bewußtsein der historischen Situation
haben, um zu sehen, daß der Parlamentarismus dadurch seine geistige Basis aufgibt und das ganze System von Rede-, Versammlungs-
und Preßfreiheit, öffentlichen Sitzungen, parlamentarischen Immunitäten und Privilegien seine ratio verliert.« Carl Schmitt:
Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus [1923]. Berlin 1996, S. 62, Hervorhebung i. O. Es ist, schreibt
er an anderer Stelle (S. 10 f.), »als hätte jemand die Heizkörper einer modernen Zentralheizung mit roten Flammen angemalt,
um die Illusion eines lodernden Feuers hervorzurufen«.
280
So übersetzt Dietrich Ebener die Worte der Athene; zitiert nach: Aischylos: Orestie. Leipzig 1971, S. 121. Sie blicken auf
den hegemonialen Konflikt zwischen Athen und Sparta und seine kriegerische Lösung, die beide Kriegsparteien ruinieren sollte.
Solange der Areopag regierte, zügelte das Einvernehmen der aristokratischen Oberschichten beider Stadtstaaten die militärische
Zuspitzung der Krise. Das attische Bürgertum suchte den Waffengang und entschied sich auch deshalb für die Demokratie. Siehe
zu dieser Parallelaktion sowie allgemein zum Politikverständnis dieser Epoche Christian Meier: Die Entstehung des Politischen
bei den Griechen. Frankfurt a. M. 1983.
281
Es geht um diesen Systemcharakter. Um sich eigenes Denken zu ersparen, klauben Befürworter wie Kritiker des Neoliberalismus
mit Vorliebe einzelne Elemente aus verschiedenen nationalen Kontexten zusammen und präsentieren sie sodann als ihr »Konzept«.
Der Liberale borgt von Dänemark den Verzicht auf Kündigungsschutz, die Unternehmenssteuern und vermischt sie mit angelsächsischen
Annehmlichkeiten. Sein Opponent, nicht faul, erwärmt sich für die »sozialen Errungenschaften« und sammelt, was er global irgend
davon findet. Hier wie dort |404| ideologische Wunschkonzerte, Potpourris, keine in sich gegründeten Entwürfe.
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Die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld II erhitzt derzeit (Sommer 2004) die Leidenschaften,
führt zu Massenprotesten auf Deutschlands Straßen, die Losungen aus dem 1989er Herbst aufgreifen. Für Menschen, die lange
Jahre im Erwerbsleben standen, gut verdienten und nun aus ihm herausfallen, bedeutet »Zusammenlegung« einen einzigen Euphemismus.
Sie können sich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, binnen Jahresfrist jenen finanziell gleichgestellt zu werden, die
nie gearbeitet haben, und erfahren die neue Mindestsicherung als soziale Degradierung. Genau diese Gleichstellung bedeutet
aber im Prinzip einen Fortschritt gegenüber der bisherigen Regelung, ihre Weiterentwicklung in Richtung eines Bürgergeldes.
Daß die Regierenden diesen Fortschritt öffentlich beschweigen, beweist, daß es ihnen darum nicht zu tun war. Stellungslose
Menschen in Lebensumstände zu versetzen, die ihnen gar keine andere Wahl bieten, als sich noch unter die unwürdigsten Formen
der Lohnarbeit zu beugen: das ist die reaktionäre Pointe des reformierten Minimums. Es hebt die bisherigen Privilegien des
Arbeiters auf, um alle, aber auch wirklich alle Menschen zu Arbeitern zu
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