Bufo & Spallanzani
Schwanz nicht mehr hart wird?«
»Es gibt noch andere wichtige Dinge«, sagte Minolta.
»Siehst du?« sagte ich entmutigt. »Du glaubst auch, daß ich ein Eunuch geworden bin.«
»Sei nicht albern.«
»Wir Männer haben der Welt nichts anderes zu bieten als einen harten Schwanz. Aber ihr Frauen habt alles geschaffen, das Feuer, das Rad, die Keramik, den Ackerbau, die Stadt, das Museum, die Astronomie, die Mode, die Kochkunst, die Lust, die Kunst (vgl. Mumford). Das einzige, was die Männer haben, ist ein harter Schwanz. Und nicht mal den hab’ ich mehr.«
»Hör auf, Blödsinn zu reden«, sagte Minolta.
Wir gingen ins Bett, und ich tat, als schliefe ich. Aber ich konnte Minolta nicht täuschen.
»Ivan? Bist du noch wach?«
»Ja.«
»Möchtest du über Frauen sprechen?«
»Ich kann nicht.«
»Ich fühle, daß du mir etwas sagen möchtest. Ich fühle, daß du mir irgend etwas verheimlichst. Ich habe sehr darunter gelitten.«
Ich schwieg. Die Nacht verstrich, und wir beide lagen wach, ohne miteinander zu sprechen.
Der Tag brach an.
»Ich rede jetzt, aber du unterbrichst mich nicht. In Ordnung?«
»Ja«, sagte Minolta.
»Du sagst kein einziges Wort, solange ich rede.«
»Nein.«
8
»Normalerweise traf ich mich mit Delfina um ein Uhr mittags in meiner Wohnung, das habe ich dir schon erzählt. Eugênio war noch nicht von der Reise zurückgekommen, die sie gemeinsam unternommen hatten, dieser Reise nach Europa. Sie war früher zurückgekommen, um die Freiheit zu genießen, und sagte, sie wolle die Probe meines Theaterstücks ansehen; sie fing um elf Uhr abends an. Wenn ihr Mann in Brasilien war, gingen wir nie abends aus. Wir fuhren zur Probe. Es ist schon komisch zu sehen, wie die Schauspieler sich in das hineinstürzen, was sie als Sinn in meinen Dialogen entdecken. Am besten war an diesem Tag eine Schauspielerin, eine ganz junge. Als ich hinkam, beachtete ich sie überhaupt nicht. Aber allmählich achtete ich auf ihre Beine, die Bewegungen ihres Körpers im grellen Licht der Scheinwerfer. Ich weiß noch, daß ich Delfina gegenüber irgendeinen idiotischen Gedankengang über die Bewegung geäußert habe, so etwas wie: Flüsse sind schöner als Berge, weil sie sich bewegen, und Pferde sind schöner als Flüsse, weil sie sich bewegen, wohin sie wollen, und Menschen, das heißt, Frauen, sind schöner als Pferde, weil sie Bewegungen erfinden. Irgend etwas in der Art, das Mädchen hatte mich inspiriert. Ich dachte, es wäre schön, mich in sie zu verlieben. Ich glaube, Delfina merkte das. Von der Probe fuhren wir zu mir. Wir lagen schon im Bett, da merkte ich, daß ich nicht so viel Lust auf Delfina hatte wie sonst. Um mich zu erregen, fragte sie, mit welcher ihrer Freundinnen ich gern ins Bett gehen würde. Mit Denise, antwortete ich, und sie fragte, ob ich mit Denise das machen würde, was ich mit ihr machte.
Unvermittelt erzählte Delfina, daß ihre Großmutter, die bewußte Großmutter, um die sie sich in ihrer Jugend gekümmert hatte, immer gesagt hatte, früher hätten die Kinos am Karfreitag nur das Leben Christi gezeigt, und im Radio – Fernsehen gab es noch nicht – sei nur klassische Musik gesendet worden, mit Vorliebe Trauermärsche. Dann sagte sie noch, es gehe ihr nicht sehr gut und am nächsten Tag werde sie zum Arzt, Dr. Baran, gehen und das Ergebnis von einigen Untersuchungen erfahren, die sie vor ihrer Abreise hatte machen lassen.
Dr. Baran sagte, sie habe unheilbaren Krebs und nur noch ein paar Monate zu leben. Du kannst dir den Schock vorstellen, wenn jemand erfährt, daß er eine furchtbare Krankheit hat. Heute weiß ich, daß es noch Schlimmeres gibt.
Sie verließ Dr. Barans Praxis und kam zu mir. Äußerlich ruhig und gewissermaßen sogar kaltblütig wirkend, sagte sie, sie habe Leukämie. Sie so beherrscht zu erleben, verschlug mir die Sprache. Ich hätte nie für möglich gehalten, daß sie so couragiert war.
›Der Tod hat sich für mich einen schmutzigen, schmerzhaften und demütigenden Abschied ausgesucht‹, sagte Delfina mit einem traurigen Lächeln. Aber sie wollte auf ihre Weise Abschied nehmen und nicht so, wie der Tod es beschlossen hatte. Sie sprach jetzt vom Tod wie von einem guten Bekannten. Wahrscheinlich will sie sich mit Barbituraten das Leben nehmen, dachte ich. Tatsächlich schien Delfina zu überlegen, ihrem Leben auf diese Weise ein Ende zu setzen, denn sie hatte die ganze Zeit ein Gläschen voller Tabletten bei sich. ›Weißt du noch, dein Buch
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