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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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behandelt hat. Im übrigen hat er so viel Geld, daß es ihm nicht fehlen wird, egal, wieviel Du aus ihm rausholst. Und dieser Mann, der Schriftsteller, verdient der so ein Opfer? Du solltest nichts überstürzen. Ich fand, Du warst sehr nervös, sehr angespannt, in gar nicht guter Verfassung, entschuldige, wenn ich so offen bin. Ich schicke Dir das Heft über Sèvres-Porzellan, ich bin einen ganzen Vormittag in der Fabrik gewesen und habe gesehen, wie das Porzellan hergestellt wird, eine tolle Sache. So viel für heute. Ich fliege am 15. zurück, unternimm nichts, bevor ich wieder da bin. Tausend Küsse, Denise.
     
    Ich setzte mich auf das Sofa im Arbeitszimmer. Guedes blieb weiter stehen.
    »Die Sendung mit dem Heft und dem Brief war eingeschrieben und ist aus irgendeinem Grund nicht mit der Post zugestellt worden.
    Es wurde nur eine Benachrichtigung geschickt, und die befand sich in Dona Delfinas Tasche. Ich bin zur Post gegangen und habe die Sendung abgeholt«, erklärte Guedes.
    Ich las den Brief noch einmal. Der Polyp mußte bereits von meiner Verbindung zu Delfina gewußt haben, als er zum erstenmal zu mir gekommen war. Er hatte mich einfach lügen lassen; er war nicht nur schlau, sondern auch hinterhältig. Und ich hatte geglaubt, mein Verhältnis mit Delfina sei ein Geheimnis. Es gibt keine Geheimnisse, irgend jemand erzählt es immer seinem besten Freund und so weiter. Und am Ende weiß dann sogar so ein Scheißpolyp Bescheid.
    Ich gab Guedes den Brief zurück, er steckte ihn sorgfältig in seine Jackentasche.
    »Kannten Sie den Inhalt dieses Briefes bereits, als Sie zum erstenmal bei mir waren?«
    »Nein. Ich habe den Brief heute abgeholt. Ich hatte die Benachrichtigung in meiner Tasche vergessen. Ich glaube, ich werde alt. Nun?«
    »Ja, Dona Delfina und ich hatten eine intime Beziehung. Ich habe Ihnen das aus naheliegenden Gründen vorher nicht gesagt, um nicht den Ruf einer Dame zu schädigen. Und außerdem hätte das nicht zur Aufklärung beigetragen, ganz gleich, ob es nun Mord oder Selbstmord war.«
    »Wann sind Sie das letzte Mal mit ihr zusammen gewesen?«
    »Am Tag vor ihrem Tod. Wir haben über das gesprochen, was der Arzt zu ihrer Erkrankung gesagt hatte. Deshalb hat mich die Nachricht von ihrem Selbstmord nicht überrascht. Sie war damals sehr deprimiert.«
    »Wo fand diese Unterhaltung statt?«
    »Bei ihr zu Hause. Sie war gerade von einer Europareise zurückgekommen.«
    »Seit wann hatten Sie dieses Verhältnis?«
    »Ich habe sie geliebt.«
    »Ja. Seit wann?«
    »Ungefähr seit sechs Monaten.«
    »Sie wollte ihren Mann verlassen, um Sie zu heiraten?«
    »Das war im Gespräch.«
    »Besteht die Möglichkeit, daß sie zur gleichen Zeit noch eine andere emotionale Bindung hatte, abgesehen von der zu Ihnen?«
    »Nein. Ausgeschlossen.«
    »Hatten Sie vorher oder haben Sie an diesem Tag einen vernickelten Revolver in Dona Delfinas Besitz gesehen?«
    »Sie hatte keinen Revolver. Vielleicht hatte ihr Mann einen, das weiß ich nicht. Ich habe nie eine Waffe bei ihr gesehen. Sie hatte entsetzliche Angst vor Waffen.«
    »Wissen Sie, was unser Problem ist?« fragte Guedes. Er machte eine Pause. »Unser Problem ist, daß Dona Delfina nicht von einem Straßenräuber ermordet wurde. So einer hätte das Auto mitgenommen, das ist ein Vermögen wert; er hätte den Revolver, die goldene Armbanduhr, die Ringe, die Kreditkarten mitgenommen; ein Straßenräuber hätte völlig anders gehandelt. Das war kein Straßenräuber.«
    Ich schwieg.
    »Unter Berücksichtigung der Umstände kommen zwei Personen als mögliche Täter in Frage.« Guedes sprach in neutralem Tonfall, als unterhielte er sich über die Handlung in einem Roman. »Die eine dieser Personen ist ihr Mann. Aber der befand sich an dem Tag, als sie getötet wurde, nicht in Brasilien.«
    »Er hätte sie umbringen lassen können«, sagte ich. »Er wußte von meiner Beziehung zu ihr.«
    »Ach, ja? Interessant … Daran hatte ich auch schon gedacht, an die Möglichkeit, daß er der Auftraggeber war, aber in diesem Fall hätte der Mörder alles getan, damit es nach einem Überfall aussieht, und die Wertsachen mitgenommen. Und ein professioneller Mörder benutzt keinen 22er, und wenn doch, würde er ihn nicht am Tatort zurücklassen. Nein, es war nicht ihr Mann und auch niemand in seinem Auftrag.«
    Daraufhin schwiegen wir beide eine ganze Weile.
    »Wollen Sie nicht wissen, wer die andere Person ist?«
    »Wer denn?«
    »Sie.«
    »Ich?!« Ich sprang wütend auf.

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