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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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dem Institutsdirektor bereitete Guedes Sorgen. Als er nach Hause kam, duschte er und aß anschließend die Maiskuchen, wobei er aufpaßte, daß kein Krümel für die Kakerlaken übrigblieb. Dann legte er sich in Unterhose und Schlafanzugjacke ins Bett und nahm Die Liebenden zur Hand. Aber kaum hatte er ein paar Seiten gelesen, schlief er ein. Mein Buch wirkte bei ihm wie ein Schlafmittel. Guedes war nicht mein idealer Leser. Meine Bücher müssen ohne Unterbrechung gelesen, verschlungen werden, insbesondere Die Liebenden.

4
     
    Eugênio Delamare hatte gesagt, es sei ihm gleich, ob das Verbrechen von einem Straßenräuber oder von einem Psychopathen begangen worden war, seine Frau sei so oder so tot. Sein Ansinnen, die Sache so zu drehen, daß der Tod seiner Frau offiziell einem Überfall zugeschrieben wurde, mochte unmoralisch und ungesetzlich sein, bedeutete aber nicht zwangsläufig, daß Delamare etwas mit dem Tod seiner Frau zu tun hatte. Jeder Bourgeois, dessen Frau tot in ihrem Wagen aufgefunden wurde, hätte die Überfallversion der Vorstellung eines Selbstmords vorgezogen; dazu mußte er nicht einmal ein bekannter Millionär sein. Wenn es schon einen Mörder geben mußte, war es ratsam, daß sein Motiv Raub hieß oder daß es sich um die zufällige Tat eines unbekannten Psychopathen handelte.
    Dieser Art waren Guedes’ Gedanken zum Thema, während er sich rasierte. Er betrachtete Mord nicht als einen atavistischen Rückfall, als Charakteristikum des Menschen aus ferner Vergangenheit, das aus unbekanntem Grund vorübergehend immer wieder auftauchte. Er erlebte nahezu täglich Morde, begangen von Menschen aller Art – Armen und Reichen, Starken und Schwachen, Analphabeten und Akademikern – und glaubte, daß der Mensch seit jeher ein gewalttätiges Geschöpf war und es noch immer ist, das nur zum Vergnügen seinesgleichen und andere Lebewesen tötet. Jeder x-beliebige Mensch konnte Delfina umgebracht haben, aber daß es kein Räuber und kein Psychopath gewesen war, dessen war er sich sicher. Wer also hatte sie ermordet? Eine junge, reiche und schöne Frau kann aus Eifersucht, aus Neid, aus Ärger, aus Gehässigkeit, aus finanziellen Interessen umgebracht werden. Ihr Mörder kann ihr Mann, ihr Geliebter, ein Verwandter, ihr Vermögensverwalter, ein Freund oder eine Freundin oder, natürlich, der Butler sein. Den Butler zählte Guedes nicht nur zum Spaß mit; im übrigen hatte er nicht viel Sinn für Humor; unter Butler verstand er jede Art von männlichem oder weiblichem Dienstpersonal.
    An diesem Tag kam Kommissar Ferreira früher zur 14. Wache. Er ließ sich das Buch mit den Wichtigen Ereignismeldungen zeigen und stellte fest, daß der ersten Eintragung von Delfina Delamares Tod ein Nachtrag mit den Ergebnissen der Untersuchungen im Gerichtsmedizinischen Institut und im Kriminologischen Institut hinzugefügt worden war. Damit war ihr Tod als gewaltsam deklariert.
    Ferreira ließ Guedes kommen.
    »So ein Ärger, der Tod dieser Frau«, sagte Ferreira. »Wie war noch mal Ihre Unterhaltung mit dem Mann?«
    Guedes berichtete noch einmal von dem Gespräch, das er mit Eugênio Delamare geführt hatte.
    »Ich begreife nicht, warum dieser Mann sich so verhalten hat«, sagte Ferreira.
     
    Den Nachmittag verbrachte Guedes in der Nationalbibliothek mit der Lektüre diverser Ausgaben der großen Tageszeitungen O Globo und Jornal do Brasil.
    Später klopfte er, bekleidet mit seinem speckigen Blouson, erneut an meine Tür.
    Ich sagte sofort: »Herr Guedes, ich bin sehr beschäftigt, ich schreibe an einem Buch, Bufo & Spallanzani, ich glaube, das habe ich Ihnen schon erzählt, und ich will verreisen und muß vorher noch einiges erledigen … «
    »Es geht ganz schnell«, sagte der Polyp, »es geht um Dona Delfina, diese Dame der Gesellschaft, die man tot in ihrem Auto gefunden hat.«
    Ich machte die Tür ganz auf und ließ ihn herein.
    »Sie wurde ermordet«, sagte Guedes.
    »Ermordet? Aber gestern haben Sie mir doch noch gesagt, sie habe Selbstmord begangen.«
    »Irrtum unsererseits. Sie wurde ermordet.«
    »Haben Sie den Mörder schon verhaftet?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Wissen Sie, wer es war?«
    Guedes antwortete nicht. Er strich sich mit dem Finger über die Stirn und wischte ihn an seinem Blouson ab.
    »Was wollen Sie nun eigentlich von mir? Wie gesagt, ich habe sehr viel zu tun.«
    »Ich glaube nicht, daß die Neugier bei einem Polizisten etwas Bösartiges ist. Das ist unsere Arbeit.«
    »Vielleicht ist die

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