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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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Arbeit der Polizei bösartig«, sagte ich.
    »Möglich«, sagte der Polyp, »aber einer muß sie machen.«
    »Und nun?«
    »Nun«, sagte er und wischte sich erneut über die Stirn, »ich vermute, daß Dona Delfina einen Geliebten hatte. Da Sie sich in diesen Kreisen bewegen, haben Sie vielleicht irgend etwas gehört.«
    »Einen Geliebten? Verrückt. Dona Delfina war eine Dame von untadeliger Moral.«
    »Sie haben in einem Ihrer Bücher gesagt, Treue sei ein bürgerlicher Begriff und die Ehre einer Frau habe nichts mit ihrem Sexualverhalten zu tun.«
    »In welchem Buch habe ich das gesagt?«
    »In Die Liebenden.«
    »Haben Sie Die Liebenden gelesen?«
    »Ich lese es gerade.«
    »Ich will Ihnen was sagen: Selbst wenn es sich um Hauptpersonen handelt, selbst wenn ein Buch in der ersten Person geschrieben ist wie Die Liebenden, sind der Standpunkt, die Meinung, die Überzeugungen, die Mutmaßungen, die Werte, die Neigungen, die fixen Ideen, die Anschauungen et cetera der Personen nicht zwangsläufig identisch mit denen des Autors. Oft denkt der Autor genau das Gegenteil von dem, was seine Personen denken.«
    »Ist Gustavo Flávio Ihr richtiger Name?«
    Was wußte er wohl über meine Vergangenheit? Über meine Arbeit bei der Versicherungsgesellschaft Panamericana, meine Zwangseinweisung und die Flucht aus dem Irrenhaus? Ich sah mir sein hageres Gesicht, seine gelben Augen genau an; was mochte er wohl wissen?
    »Wir Schriftsteller benutzen gern Pseudonyme. Stendhal hieß Henry Beyle; der richtige Name von Mark Twain war Samuel Langhorne Clemens; Molière war das Kryptonym von Jean-Baptiste Poquelin. George Eliot hieß weder George noch Eliot und war auch kein Mann, sondern eine Frau namens Mary Ann Evans. Wissen Sie, wie der Name von Voltaire lautete? François-Marie Arouet. William Sidney Porter versteckte sich hinter dem falschen Namen O. Henry.« (Aus ähnlichen Gründen wie ich, aber das erzählte ich dem Polypen nicht.)
    »Das ist ein literarisches Geheimnis, ha, ha!«
    Guedes hakte nicht nach, aber meine Nervosität nahm zu. Ich steckte die Hände in die Taschen. Der Polyp wischte sich wieder über die Stirn.
    »Ich stelle die Klimaanlage an«, sagte ich.
    »Nicht nötig.«
    »Mir ist auch zu warm. Ich habe eine Anlage, die kühlt die ganze Wohnung«, sagte ich und ging zur Küche, wo sich der Kasten mit dem Apparat befand. Der Polyp kam hinter mir her.
    »Wer war ihre beste Freundin?«
    »Wessen beste Freundin?«
    »Dona Delfinas.«
    »Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, ob sie eine beste Freundin hatte.«
    »Jede Frau hat eine beste Freundin. Ihre war Denise Albuquerque«, sagte der Polyp.
    »Dann wissen Sie mehr als ich. Verflixt, der Apparat scheint kaputt zu sein. Woher wissen Sie, wer die beste Freundin von Dona Delfina war?«
    »In den Klatschspalten steht alles über das Leben der feinen Leute: das heißt alles bis auf die marode Seite. Die Dame ist auf Reisen, aber ich habe erfahren, daß sie in Bälde zurückerwartet wird. Ich habe vor, mit ihr zu sprechen.«
    Wir kehrten in mein Arbeitszimmer zurück. Guedes sah sich die Bücher an, als versuche er, die Titel auf den Buchrücken zu lesen.
    »Sie haben mir nichts weiter zu sagen?«
    »Was denn, zum Beispiel?«
    »Kennen Sie ihren Mann?«
    »Nein. Was noch? Ich habe viel zu tun, ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich viel zu tun habe, ich bin kein Beamter wie Sie, ich verdiene nur Geld, wenn ich arbeite, ich bin mit meinem neuen Buch Bufo & Spallanzani sehr im Hintertreffen, kurzum, es tut mir sehr leid, aber ich muß Sie bitten, kurz und sachlich zu sein.«
    Guedes griff in die Tasche und zog ein Blatt Papier heraus.
    »Lesen Sie das«, sagte er.
    Es war ein Brief. Mit der Hand geschrieben.
     
    Liebe Delfina. Nachdem Du abgereist bist, habe ich länger über unser Gespräch hier in Paris nachgedacht. Ich halte das für eine Wahnsinnsidee, was Du vorhast. Unter solchen Bedingungen hat sich noch keine Frau von ihrem Mann getrennt. Sie alle – die Namen brauche ich nicht zu nennen, Du weißt, wen ich meine – haben bei der Trennung ein großes Stück vom Kuchen mitgenommen, sind Millionärinnen geworden, und viele von ihnen waren nichts anderes als ordinäre Flittchen und haben ihren Mann mit Gott und der Welt betrogen. Wie man mit Männern umgeht, haben sie von Jacqueline Onassis gelernt, und Du solltest es genauso machen. Auf alles verzichten ist dumm und unvernünftig, so viel Rücksicht hätte Eugênio auch gar nicht verdient, so wie er Dich immer

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