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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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er nervös geworden, und in diesem Augenblick habe die Frau zu schreien angefangen. Um sie zum Schweigen zu bringen, habe er auf sie geschossen. Auf die Frage, warum er einen 22er gehabt hätte, antwortete er: ›Der läßt sich besser verstecken.‹ Warum er sonst nichts gestohlen habe? Er habe Angst bekommen, jemand könnte den Schuß gehört haben, und habe gerade noch Zeit gehabt, die goldene Zigarettenspitze der Frau mitzunehmen. Er hatte die Zigarettenspitze bei der Festnahme noch bei sich und konnte nicht erklären, warum er sie noch nicht an einen Hehler verkauft hatte. Dona Delfinas Mann hat bestätigt, daß die Zigarettenspitze ihr gehörte. Wir müssen diesen Mann verdächtigen, auch wenn da noch ein paar Punkte zu klären sind. Ihre Aussage«, dabei sah der Polizist mich an, »wird nicht mehr benötigt. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    »Komm, Gustavo, wir gehen«, sagte Martins.
    Guedes brachte uns zur Tür. Dort hielt er mich am Arm zurück.
    »Ich weiß«, setzte er an und verstummte. Er wollte etwas sagen, überlegte es sich dann jedoch anders und sagte: »Auf Wiedersehen.« Aber seinem Blick nach hatte ich den Eindruck, als wollte er sagen: Ich kenne Ihren richtigen Namen, ich weiß über Ihre dunkle Vergangenheit Bescheid.

Teil II
    Meine dunkle Vergangenheit
     
    Als Zwanzigjähriger war ich noch nicht so ein Lüstling und Schlemmer, wie ich es heute bin. Ich war ein schlanker, genügsamer und unschuldiger Jüngling. Und ich hatte auch nicht vor, Schriftsteller zu werden. Lesen machte mir Spaß, aber Schreiben nicht. Ich war ein bescheidener, unbedeutender Grundschullehrer. Da lernte ich Zilda kennen; sie ging mit mir ins Bett und zog bei mir ein. Das war meine erste sexuelle Erfahrung, eine ziemlich unselige Geschichte. Keine Ahnung, wieso ich mit Zilda zusammenziehen konnte. Der Anblick des weiblichen Körpers reizte mich nicht, die Nähe des weiblichen Geschlechts erschreckte mich; wenn ich mit ihr ins Bett ging, vermied ich es, ihre Vagina zu sehen, vor deren Geruch ich mich ekelte, auch wenn sie gerade geduscht hatte.
    Zilda war eine ehrgeizige Frau, und sie überredete mich, meine Stelle als Grundschullehrer aufzugeben, um bei einer Versicherungsgesellschaft, bei der sie einen Typen namens Gomes kannte, mehr zu verdienen. So fing ich also bei der Panamericana de Seguros an und geriet in ein Abenteuer, das am Ende mein ganzes Leben veränderte.
     
    Ich arbeitete noch nicht lange bei der Panamericana, da erschien eines Nachmittags im Sommer ein Mann von vierunddreißig Jahren in der Zentrale der Gesellschaft in der Avenida Graça Aranha und erklärte dem Angestellten, der ihn bediente, er wolle eine Lebensversicherung abschließen. Da es sich um eine sehr hohe Versicherung handelte, die höchste, die bis dahin bei der Panamericana abgeschlossen worden war, wurde Senhor Estrucho einer sorgfältigen ärztlichen Untersuchung unterzogen, in der ihm eine hervorragende Gesundheit bescheinigt wurde. Sein Antrag wurde akzeptiert. Monatelang bezahlte Senhor Estrucho pünktlich seine Beiträge, dann starb er plötzlich. Ein Anwalt, der die Interessen der Witwe Dona Clara Estrucho vertrat, meldete sich bei der Panamericana und teilte mit, er wolle den Verstorbenen von den Ärzten der Versicherungsgesellschaft untersuchen und damit unwiderlegbar feststellen lassen, daß er eines natürlichen Todes gestorben sei, denn er wünsche keine Verzögerungen bei der Auszahlung der Versicherung.
    Der Leiter der juristischen Abteilung der Panamericana hieß Carlos Ribeiroles. Ein vorsichtiger Mann, wie alle Anwälte. Er setzte sich mit seinen wichtigsten Mitarbeitern zusammen, um die Sache zu prüfen. Auf den Anruf und den anschließenden Besuch von Dona Clara Estruchos Anwalt hin hatte Dr. Ribeiroles zunächst mit der Entscheidung reagiert, keine postmortale Untersuchung vornehmen zu lassen. Wie alle Anwälte arbeitete auch Ribeiroles nicht gerne unter Druck; die Grundfesten der juristischen Tätigkeit hießen für ihn erstens Vernunft und zweitens Moral, und Vernunft war dasselbe wie gesunder Menschenverstand, so wie Moral dasselbe wie Gerechtigkeit war. Weder das eine noch das andere rechtfertigten eine solche außergewöhnliche Untersuchung. Ganz gleich, ob der Fall verdächtig war, er hatte den gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensgang zu durchlaufen.
    »Ich meine, wir sollten versuchen, eine richterliche Genehmigung für eine Autopsie zu bekommen, und nicht so eine oberflächliche Untersuchung vornehmen

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