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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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zwar mitkommen, aber ich bin auf Urheberrecht spezialisiert. Von Strafrecht verstehe ich nichts. Falls ich der Meinung bin, daß die Sache kompliziert ist, werden wir einen anderen Anwalt hinzuziehen müssen.«
    Ich sagte, ich wolle keinen anderen Anwalt.
    Pünktlich zur genannten Uhrzeit betraten wir die Wache, ein einstöckiges, kleines, schmutziges Gebäude. Martins überreichte die Vorladung einem Menschen in Hemdsärmeln, der hinter der Holztrennwand eines großen Raumes an seinem Tisch saß. Der Mensch sagte, wir sollten warten. Nach einer Viertelstunde öffnete sich eine Tür, auf der »Büro« stand, und ein dicker Mann mit Brille und einem Blatt Papier, das ich sogleich als meine Vorladung erkannte, kam auf uns zu und fragte:
    »Gustavo Flávio?«
    »Das bin ich.«
    »Ihre Vernehmung hat sich erübrigt«, sagte er.
    »Erübrigt? Wieso denn das? Ich habe eine Vorladung erhalten.«
    »Komm«, fiel Martins mir ins Wort und zog mich am Arm. »Der Mann hat gesagt, deine Vernehmung hat sich erübrigt, oder nicht?«
    »Ich will wissen, ob ich ein andermal wiederkommen muß, warum man mich eigentlich herbestellt hat.«
    »Komm, wir gehen«, unterbrach Martins mich wieder. Er fühlte sich in dieser Umgebung nicht sehr wohl. Ich glaube, er befand sich zum erstenmal auf einem Polizeirevier.
    »Nein, Sie brauchen nicht wiederzukommen«, sagte der Beamte, der daneben stehengeblieben war und meine Unterhaltung mit dem Anwalt mitgehört hatte.
    »Warum brauche ich nicht mehr wiederzukommen?«
    »Da fragen Sie am besten Inspektor Guedes. Er hat die Vorladung angeordnet und dann gesagt, daß es sich erübrigt hat.«
    »Ich möchte mit ihm sprechen«, sagte ich. Martins, der bis dahin meinen Arm fest im Griff behalten hatte, ließ mich mit einem resigniert verärgerten Seufzer los.
    »Ich geh’ mal nachsehen, ob er mit Ihnen sprechen kann«, sagte der Beamte.
    Weitere fünfzehn oder zwanzig Minuten vergingen. Während wir auf Guedes warteten, sagte ich zu Martins: »Wenn du willst, kannst du gehen.«
    »Ich laß’ dich doch nicht allein hier«, erwiderte er.
    »Sie haben gesagt, daß sie nichts mehr von mir wollen. Es besteht also keine Gefahr.«
    »Es ist besser, ich bleibe«, sagte er und sah sich mit mißfälligem Blick um. »Weißt du was? Selbst wenn ich verhungern müßte – ich könnte kein Strafverteidiger werden.«
    »Das ist mir klar«, sagte ich.
    Guedes hatte seine Uniform an, den speckigen Blouson und das schmutzige Hemd mit offenem Kragen.
    »Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig«, sagte er. »Haben Sie noch fünf Minuten Zeit? Ich muß nur noch etwas fertig machen.«
    »Wirklich nur fünf Minuten? Ich bin sein Anwalt, ich – «
    »Sie brauchen nicht dazubleiben«, sagte Guedes und ging schon.
    »Wahrscheinlich ist er mitten beim Foltern und gibt gerade irgendeinem armen Teufel noch ein paar Elektroschocks«, sagte Martins.
    »Wenn du gehen willst«, wiederholte ich, »kannst du gehen«.
    »Natürlich nicht«, entgegnete er gekränkt.
    Nicht einmal fünf Minuten später betrat ein Mulatte mit einem Revolver im Gürtel den Raum und fragte: »Wer ist hier Gustavo Flávio?«
    Wir wurden in das Zimmer von Inspektor Guedes geführt. Ein Holztisch voller Kaffeeflecken, ein paar Papiere und eine mittlere Ausgabe vom Wörterbuch Aurélio. Guedes saß und forderte uns mit einer Handbewegung auf, auf den beiden Stühlen vor dem Tisch Platz zu nehmen.
    »Gestern«, sagte Guedes, als wir uns setzten und der bewaffnete Mulatte hinausgegangen war, »hat eine Streife der Schutzpolizei einen von Ilha Grande entflohenen Häftling namens Agenor da Silva bei einem Überfall auf eine Bäckerei festgenommen. Als er auf der Wache war, gestand er, vor etwa zehn Tagen in einer Straße im Stadtteil Jardim Botânico eine Frau in einem Mercedes ermordet zu haben. Ich habe ihn hierher in unser Gefängnis geholt. Zuerst habe ich ihm seine Geschichte nicht geglaubt. Er hat von sich aus gestanden, und das gibt’s sehr selten.«
    Der Anwalt warf mir einen entsprechenden Blick zu, als wollte er sagen, für die Polizei zähle ein Geständnis nur, wenn es unter Folter zustande gekommen sei.
    »Er konnte auch nicht so richtig erklären, warum er den Wagen in die Rua Diamantina gefahren hatte. Er sagte, er kenne sich in jenem Teil der Stadt nicht aus und habe geglaubt, er könne von da aus in den Wald von Tijuca kommen, wo er die Frau erst berauben und dann vergewaltigen wollte. Als er merkte, daß die Rua Diamantina eine Sackgasse war, sei

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