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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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hinein erklang ein kurzes, nicht sehr überzeugtes Auflachen von Orion, dem nichts weiter folgte. Suzy sammelte die Muscheln ein und schüttelte sie in den Händen. Was war das für ein Lächeln auf ihrem Gesicht?
    »Schluß!« sagte Suzy.
    »Schluß? Jetzt, wo es gerade interessant wird«, fragte Orion. »Bitte, machen Sie weiter.«
    »Wieso war jemand neben der toten Frau? Wo waren sie? Wer waren sie?« fragte Juliana.
    »Schluß«, wiederholte Suzy. »Komm, Euridíce.«
    Suzy mit dem schwarzen Muschelkasten unter dem Arm und Euridíce (die angstvoll Carlos ansah, als sie an ihm vorbeiging) verließen gemeinsam, beide unter Spannung stehend, den Gesellschaftsraum.
    »Eine Künstlerin«, sagte ich. »Das müßte sie im Zirkus vorführen.«
    »Von wegen Zirkus, ich sterbe vor Angst«, sagte Juliana.
    »Jetzt wollen wir nicht übertreiben«, sagte Orion.
    Nachdem Suzy weg war, gab es für uns keinen Grund mehr zu bleiben, abgesehen von meiner Lust auf Roma (auf Roma, ein schöner Gedanke). Alle machten sich auf den Weg zu ihren Bungalows. Ich blieb eine Weile allein. Dann ging ich auf einen Spaziergang durch den Wald. Ich empfand etwas wie eine Art Schaudern, eine Ahnung von Gefahr, aber keine große, nur gerade so viel, daß ich davon erregt war. Ich ging einen Weg entlang, den ich noch nicht kannte und dachte an Bocage, »ich will mein Herz mit Grauen sättigen«. Es mußte schön gewesen sein, damals, als es an Orten wie diesem kopflose Maultiere und Wolfsmenschen gab. Meine Taschenlampe schaltete ich nur ein, wenn ich Angst hatte, einen Abhang hinunterzufallen. Bei einer solchen Gelegenheit sah ich einen großen Baumstumpf, setzte mich darauf, machte die Taschenlampe aus und hörte Geräusche, die wie Stöhnen, Flügelschlagen, Schritte, Hexengemurmel klangen.
    Während ich dasaß, mich fürchtete wie ein alter Affe und diese Angst genoß, tauchte plötzlich ein diffuser gelber Lichtschein am Himmel auf, als ob der Wald auf einmal in Flammen stünde. Aber die Helligkeit hielt nur kurz an und verlöschte gleich wieder, worauf die Dunkelheit um mich herum noch schwärzer wurde. Es mußte das gleiche sein, was der Maestro gesehen hatte, denn kurz darauf begann es, in unregelmäßigen Abständen am Himmel aufzuflackern. Diese Lichtblitze wurden eindeutig von Feuer verursacht. Aber ein Feuer solchen Ausmaßes verlöschte und flammte nicht auf wie ein riesiger Scheinwerfer.
    Fest entschlossen, dieser Erscheinung auf den Grund zu gehen, machte ich mich in Richtung des Lichtscheins auf den Weg durch den Wald. Es war kein leichter Weg. Ich fiel mehrfach hin, zerriß mir die Kleidung, verletzte mich an den Händen. Daß ich mir die Hände aufriß, versetzte mich in Panik, ich hatte eine fürchterliche Angst vor Wundstarrkrampf, seit eine Freundin von mir daran gestorben war, als ich ein Halbwüchsiger war. Wie ein Hund begann ich, die Wunden an meiner Hand zu lecken, um sie von den Entzündungsbazillen zu säubern. Ich leckte mich noch immer, als ich zum Fuß des Berges kam und einen Drachen erblickte, einen Drachen mit Affenkörper, der Flammen spie, die sich über den Boden wälzten und dabei wie Höllenwinde heulten. Ich sah Gespenster, das mußte die Wirkung des Wundstarrkrampfs sein. Ein kalter Schauer lief mir durch den Körper, die Muskeln in meinem Hals und Unterkiefer wurden schon hart. Ich wußte, daß es keine Infektion gibt, die den Organismus so schnell angreift, aber es gab auch keinen Drachen-Affen.
    »Krepieren sollt ihr, ihr verfluchten Biester, krepieren!« schrie der Affe.
    Zum Glück war meine Begriffsstutzigkeit von kurzer Dauer. Ich hatte (noch) keinen Wundstarrkrampf, und auch das furchterregende Tier war weder ein Drache noch ein bloßer sprechender Affe. Es war ein Mensch, der einen Flammenwerfer, wie man sie im Kino sieht, in der Hand hielt. Dieser Mensch war, wie ich erleichtert feststellte, Trindade.
    »Seu Trindade«, rief ich.
    »Ich vernichte Ameisen«, sagte er im Dunkeln. »Aber ich bin gerade fertig, gerade eben. Sie sollten hier nachts nicht herumlaufen.«
    »Warum nicht?« fragte ich.
    »Sie könnten in eine Felsspalte fallen, selbst die Tiere, die ja Tiere sind, fallen da rein, und ein Mensch noch viel leichter.«
    Er log. Die Stimme eines Lügners verrät sich in der Dunkelheit.
    »Ich bringe Sie zu Ihrem Bungalow.«
    »Nicht nötig.«
    Ich wollte es nicht, folgte ihm dann aber doch zu meinem Bungalow. Ich ging hinein und zog mir die zerrissenen Kleider aus. Dann betrachtete ich meine

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