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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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Hand und sah, daß ich nur ein paar kleine Kratzer abbekommen hatte. Ich ging auf die kleine Terrasse des Bungalows und horchte auf die Geräusche, die aus der Dunkelheit kamen. Kröten, Grillen, der Schrei einer Eule. Ich war auf menschliche Töne aus. Jetzt wollte ich keine Angst haben. Ich schaltete die Taschenlampe ein und ging in den Wald. Der Weg wirkte länger, aber schließlich kam ich zu der Stelle, wo ich Trindade mit dem Flammenwerfer begegnet war. Ich leuchtete mit der Taschenlampe die Erde ab. Auf dem Boden verstreut lagen verkohlte Tiere, die wie aus geschmolzenem Draht gefertigt wirkten und einen ekelerregenden Geruch verströmten. Mit einem Stück Holz berührte ich eines der Tiere, das vom Feuer nicht vollkommen vernichtet war. Es war eine riesige Spinne, so groß wie ein Kürbis. Deshalb hatte Trindade den Flammenwerfer benutzt, dieses Tier hätte er weder mit einem Stock noch mit einer Hacke totschlagen können. Und was, wenn noch ein paar lebten? Wenn die Spinnen mich am Bein packten, mich zu Boden warfen? Ich stellte mir vor, wie sie mich auffraßen. Sie würden an der Nase anfangen, dann an den Lippen, Lippen sind aus zartem Fleisch; dann würde eine besonders schlaue kleinere Spinne mir unter die Hose klettern, am Bein bis zum Schritt hinaufsteigen und nacheinander meine Klöten verschlingen, Klöten sind zarte Fleischhäppchen, zumindest für Spinnen, und dann meinen Schwanz … Schluß! dachte ich, mit Schwanz und Klöten soll man nicht scherzen. Ich kehrte schleunigst zu meinem Bungalow zurück. Wie schön ist doch die Natur! Mein ganzer Körper fing zu jucken an. Überall saßen Zecken.
    Als ich aufwachte, war ich vollkommen verquollen. Ich hatte die Zecken abgerissen, aber ihre Köpfe dringelassen. Mein Körper war mit roten Pusteln bedeckt. In den Lenden und Achseln waren die Lymphdrüsen geschwollen. Jetzt war es aus mit dem Schreiben. Ohne den TRS-80 und dazu noch vollkommen angeschwollen! Ich hatte mein neues Buch für Anfang des Jahres versprochen, bereits Vorschuß erhalten, mein Verleger drängte mich, et cetera – ich glaube, das habe ich schon gesagt. Mein Verleger wollte ein dickes Buch, die Buchhändler wollten ein dickes Buch, die Leser wollten ein dickes Buch (eine gute Ausrede, um es zu kaufen und dann nicht zu lesen); alles, was groß ist, macht Eindruck, der Eiffelturm ist scheußlich, aber groß, die Pyramiden sind nichts anderes als ein Berg aus Stein, den aufzuhäufen es der pharaonischen Dummheit gelungen ist, aber sie sind groß; wenn es jemandem gelänge, ein Gebäude aus Scheiße, vorzugsweise menschlicher, in der Größe des World Trade Center zu bauen, dann würde dieses Fäkalbauwerk als das größte Kunstmonument aller Zeiten oder auch als ein großes Kultbild gelten. Vielleicht würde es sogar als Gott selbst angesehen. Das Gift der Zecken machte mir zu schaffen.
    Als ich zum Haupthaus kam, begegnete ich Trindade; er verlor kein Wort über das, was sich in der vergangenen Nacht ereignet hatte. Er fragte sogar, wo ich von so vielen Zecken gebissen worden sei. Er wollte nicht publik werden lassen, daß es riesige giftige Spinnen (und was weiß ich noch) in seinem Paradies gab.
    Im Frühstücksraum wartete eine Überraschung. Euridíce und Carlos frühstückten am selben Tisch. Ich hätte nicht gedacht, daß Euridíce nach der Eifersuchtsszene von Suzy so vorsätzlich mit dem jungen Mann flirten würde. Euridíce sah Carlos verliebt an, obwohl er nicht darauf reagierte und wie immer geistesabwesend, introvertiert und ein wenig melancholisch wirkte. Ich befürchtete, es würde zu einem Riesendrama mit Tränen und Gekeife kommen, wenn Suzy erschien, aber Suzy hatte sich das Frühstück aufs Zimmer bestellt. Obwohl es mir schlecht ging, aß ich von sämtlichen Frühstücksleckereien – Marmeladen, Käse, Gebäck, Toast, Eier, gebratenen Bacon. Als das Hausmädchen mir Kaffee und Milch in die Tasse goß, legte sie unauffällig einen zusammengefalteten Zettel auf den Tisch, den ich ebenfalls unauffällig ergriff und in die Tasche steckte. Mein Herz schlug wie wild, denn ich war fest überzeugt, es sei eine Nachricht von Roma, die sich nicht im Raum befand.
    Kaum daß ich den Raum verlassen hatte und mich auf der Terrasse befand, las ich den Zettel: »Das Hausmädchen, das mir das Frühstück gebracht hat, wird Ihnen diesen Zettel geben. Euridíce geht reiten, ich werde den ganzen Vormittag im Bungalow sein. Kommen Sie her. Ich muß mit Ihnen sprechen. Suzy.« Auf dem

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