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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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schliefe sie, als ich, nachdem ich den Stockfisch gegessen hatte, wieder ins Bett kam; sie tat gern so, als schliefe sie, und während sie tat, als schliefe sie, tat ich, als glaubte ich, daß sie schliefe, und nahm sie so. Genauer gesagt: ich habe sie immer »im Schlaf« besessen, sie bewegte dabei ihren Körper, um die Sache einfacher zu machen, ohne die Augen zu öffnen, und stöhnte wie im Traum; und nie rührte sie danach an das Thema, auch ich durfte nicht darüber sprechen. Sie fand immer einen Weg, vor mir ins Bett zu gehen, und wenn ich dann kam, schlief sie bereits, et cetera.)
    Ich war schon mit dem Essen fertig, saß aber noch am Tisch und wartete auf den Kaffee, da beobachtete ich eine interessante Szene. Als Carlos den Raum betrat, starrte Euridíce, die mit Suzy an einem Tisch in der Nähe saß, den Mann mit hingerissenem und gleichzeitig abwartendem Blick an, als hoffte sie auf eine Gelegenheit, durch Blickwechsel einen Flirt anzufangen. Schon vorher war mir bei Euridíce ein gewisses Interesse an dem jungen Mann aufgefallen, und ich hatte auch gemerkt, daß Suzy sich darüber ärgerte. Als sie sah, daß Euridíce Carlos anblickte, redete Suzy ihre Cousine schroff an. Ich hörte sie »du Blöde«, »du Idiot« sagen und einen ganzen Satz: » … später heulend um Verzeihung bitten, das nützt nichts.« Außerdem versetzte Suzy Euridíce einen ordentlichen Knuff.
    Carlos nahm nicht wahr, daß er dieses ganze Melodrama verursachte. Er, der sowieso ständig in Gedanken versunken war, wirkte in diesem Augenblick noch geistesabwesender als sonst und aß ohne Appetit. Derart himmlischen Stockfisch gleichgültig essen, das konnte nur ein sehr verwirrter Mensch.
    Juliana und Orion, die von dem Streit zwischen den Cousinen nichts mitbekommen hatten, kamen zu Suzy an den Tisch und unterhielten sich mit ihr darüber, daß sie versprochen hatte, an diesem Abend die Kaurimuscheln zu werfen. Suzy versuchte, sich herauszureden, aber Roma und Vaslav schlossen sich den Musikern an und verlangten die Einlösung des Versprechens. Schließlich willigte Suzy ein und sagte, sie wolle die Muscheln aus ihrem Bungalow holen.
    »Ehrlich gesagt glaube ich an keinerlei Art von Macumba«, sagte Orion.
    »Muscheln werfen ist keine Macumba«, sagte Juliana.
    Keiner konnte so richtig erklären, was Muschelwerfen ist. Einer bot die Definition an: »Eine Methode, die Geheimnisse der Zukunft aufzudecken«, aber die anderen bezeichneten den Begriff Methode als in diesem Zusammenhang unangemessen. »Wie wär’s mit hellseherischem Schabernack?« schlug jemand anders vor.
    Suzy kehrte mit einem schwarzen Holzkasten unter dem Arm und in Begleitung von Euridíce aus ihrem Bungalow zurück. Die beiden schienen ihren Streit beigelegt zu haben, denn sie kamen lächelnd und Hand in Hand daher.
    Wir setzten uns um einen Tisch im Gesellschaftsraum. Sofort bildeten sich unterschiedliche Gruppierungen: Juliana und Euridíce glaubten an die Muscheln; Roma und Vaslav waren neutral; Carlos gleichgültig, desinteressiert; ich skeptisch; Orion, weiß ich nicht.
    Suzy nahm die Muscheln aus dem Kasten, schüttelte sie in den Händen und warf sie auf den stoff bespannten Tisch. »Jetzt können Sie Fragen stellen«, sagte sie, ihre Stimme klang einschüchternd.
    Keiner wagte, etwas zu fragen. Die Überzeugten hatten Angst vor der Antwort; der Skeptiker, also ich, wollte nicht von den anderen als Überzeugter angesehen werden; die Gleichgültigen wollten sich nicht aktiv an der Sache beteiligen.
    Suzy warf noch einmal die Muscheln, sie verteilten sich über den ganzen Tisch. Ich merkte, daß ihr Gesicht sich verkrampfte, ihr Blick veränderte sich, als sähe sie auf dem Tisch zwischen den Muscheln eine Ratte: ihr Blick verriet Angst und Abscheu. Jetzt kommt der Schwindel, dachte ich.
    »Ich sehe einen gewaltsamen Tod«, sagte Suzy.
    »Durch Flugzeugabsturz?« fragte Juliana. Nach Beendigung ihres Urlaubs wollte Juliana auf eine lange Tournee gehen, bei der sie als Haupttransportmittel das Flugzeug benutzen mußte.
    »Nein«, sagte Suzy, »ich sehe kein Flugzeug.«
    »Ist der Tote ein Mann oder eine Frau?« fragte Orion.
    »Eine Frau«, sagte Suzy.
    Schweigen.
    »Aber dieser Todesfall hat sich schon ereignet … ich weiß nicht … ich kann ihr Gesicht nicht sehen … ich sehe, wer bei ihr ist … ich sehe ganz deutlich, wer … in diesem schrecklichen Augenblick … neben ihr ist … diese Person … die neben ihr ist … «
    In das anhaltende Schweigen

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