Bufo & Spallanzani
verschaffen.
»Komm her«, sagte der Gefängniswärter und schloß das Eisengitter auf.
Agenor ging mit dem Gefängniswärter nach oben zu Ribas.
»Du wirst ins 14. verlegt«, sagte Ribas. »Inspektor Guedes nimmt dich mit.«
»Ins 14.? Warum?« Er schien beunruhigt.
»Du hast die Frau in unserem Zuständigkeitsbereich umgebracht«, sagte Guedes.
Ribas nahm Agenor am Arm und führte ihn in das Zimmer von Kommissar Wilfredo.
»Ist er der Zellenboß?« fragte Guedes.
»Der? Nein, das ist ‘ne Memme, ein Stück Dreck«, antwortete Ribas ohne Rücksicht auf den Häftling, der das Gespräch zwischen den beiden Polizisten mithörte.
Guedes, inzwischen in Wilfredos Raum, sah sich den Häftling genauer an: Er war unruhig und kaute an seinen Nägeln. »Darf ich mal telefonieren, Doktor?«
»Ja«, sagte Guedes und gab Wilfredo ein Zeichen.
»Wie geht’s den Kollegen vom 14.?« fragte Wilfredo. »Ich hab’ gehört, Ferreira ist nach Bangu versetzt. Darüber hat er sich bestimmt nicht gefreut.«
»Bis jetzt hat noch nichts im Mitteilungsblatt gestanden«, sagte Guedes.
Guedes unterhielt sich mit Wilfredo, aber es interessierte ihn, was Agenor am Telefon sagte: »Sag Bescheid, daß ich ins 14. nach Leblon komme. Du weißt schon, wem … Stell dich nicht so dumm, Alte!«
»Es gibt noch Schlimmeres als Bangu«, sagte Wilfredo.
»Das stimmt«, antwortete Guedes.
»Merk dir, ins 14.«, sagte Agenor und legte auf. »Danke, Doktor.«
Guedes tat so, als hätte er nicht gehört, daß Agenor sich bedankte. Er unterhielt sich noch etwas mit Wilfredo, dachte dabei aber an Agenors Telefongespräch. Wem sollte die Frau Bescheid geben, daß er ins 14. verlegt wurde? Einem Anwalt? Falls er einen Anwalt hatte, warum rief er den nicht direkt an? Wenn er nicht der Zellenboß war, warum fächelte ihm dann einer in der Zelle Luft zu? Geld, um sich so viel Sicherheit und Komfort zu kaufen, besaß er nicht. Auch nicht die körperliche Kraft noch den Mut, sich in diesem winzigen Raum seinen Platz zu erobern.
»Gehen wir«, sagte Guedes.
Sie stiegen in einen Gefangenentransportwagen, der auf sie wartete. Guedes setzte Agenor zwischen den Fahrer und sich. »Ich muß noch was erledigen«, sagte Guedes. »Setzen Sie uns in der Nähe der alten Kathedrale ab.«
Guedes und Agenor stiegen bei der alten Kathedrale, Ecke Rua da Quitanda aus. »Hier lang«, sagte Guedes.
Die Rua da Quitanda war für den Autoverkehr gesperrt. Der Polizist und sein Gefangener gingen mitten auf der Straße. Wer die beiden sah, hätte nicht geglaubt, daß sie zusammengehörten. Guedes ging ein Stück voraus und sah auf die Hausnummern, als ob sie irgendeine Anschrift suchten. Agenor folgte ihm nervös und verängstigt. Zweimal blieb er verblüfft, mit gehetztem Blick, auf der Straße stehen und sah abwechselnd auf den Rücken des vor ihm gehenden Polizisten und zum anderen Ende der Straße. Aber beide Male beschleunigte er gleich darauf den Schritt und schloß sich Guedes wieder an.
Von der Rua da Quitanda gingen sie zum Busbahnhof Menezes Cortes in der Rua São José, wo Guedes ihn fragte, ob er einen Kaffee trinken wollte. Sie tranken ihn im Stehen, in einer der Passagen des Busbahnhofs. Menschenmassen bewegten sich wie Termiten in einem riesigen Bau durch die Gänge des Busbahnhofs. Von dort gingen sie zur Rua Erasmo Braga und einmal hätte Agenor Guedes in der brodelnden Menschenmenge fast verloren.
Sie stiegen in einen klimatisierten Bus der Linie Castelo-Leblon. Als sie in die Flamengo-Bucht kamen, sagte Guedes: »Ich habe mein Medaillon vom heiligen Georg vergessen, und ohne das bin ich nicht gern unterwegs.« Eine unwahre Behauptung, mit der Guedes eine Unterhaltung mit Agenor in Gang setzen wollte. Der Einschätzung des Polizisten zufolge verehrte Agenor vermutlich den heiligen Georg, gehörte zur Sambaschule Mangueira (wenn man davon ausging, wo er wohnte, und das hatte er auf dem Sonderkommissariat in der Akte gesehen) und war Fan des Fußballclubs Flamengo. Über diese Themen wollte er sich mit dem Gefangenen während der Busfahrt unterhalten. Mit den ersten beiden Vermutungen hatte er recht. Allerdings war Agenor kein Rot-Schwarzer, sondern ein Vasco-Fan.
»Ich bin auch Vasco-Fan«, sagte Guedes.
Unterwegs redeten sie über Fußball und Karneval.
»Meine Mangueira krieg’ ich ja wohl so bald nicht wieder beim Umzug zu sehen«, sagte Agenor mit tränennassen Augen. »Und Vasco im Maracanã auch nicht.«
»Man sollte sich das zweimal
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