Bufo & Spallanzani
überlegen, ehe man so eine Dummheit macht«, sagte Guedes.
»Aber ich – « Agenor verstummte und wischte sich die Augen ab.
Als sie im 14. ankamen, trug Guedes die Einlieferung des Häftlings ein und gab dem Gefängniswärter Anweisung, ihn in die Zelle zu bringen. Das Gefängnis des 14. war noch überfüllter als bei der Schutzpolizei. Der Chef-Protokollant kam sich bei Guedes erkundigen, ob er Agenor mitgebracht habe, denn er wollte dessen Aussage noch am selben Tag aufnehmen.
»Heute nicht«, bat Guedes, »warten Sie bis morgen. Ich möchte mich vorher noch mit ihm unterhalten.«
»Ferreira hat es mit den Ermittlungen eilig«, sagte der Protokollant.
»Morgen können Sie ihn verhören«, sagte Guedes. »Erzählen Sie Ferreira irgendwas. Er weiß ja gar nicht, daß der Mann schon hier ist.« Der Protokollant, der ein gutes Verhältnis zu Guedes hatte, konnte ihm die Bitte nicht abschlagen.
Guedes hatte andere Dinge zu erledigen, Dinge, die nichts mit mir und dieser Geschichte zu tun hatten, also berichte ich hier auch nicht darüber.
Am Abend, als er in seine Wohnung kam, nahm Guedes sich ein Blatt Papier und notierte darauf:
1. Wegen Raubüberfall (den er nicht durchführen konnte) verhaftet, gesteht einen Mord, dessen man ihn gar nicht verdächtigt hat. Im Strafregister kein früherer Raubüberfall aufgeführt. Auch kein Mord.
2. Memme, trotzdem Zellenboß.
3. Behauptet, mit Frau herumgefahren zu sein und einen Platz für Vergewaltigung gesucht zu haben. Strafregister verzeichnet keine Vergewaltigung.
4. Ist ein Dieb, nimmt aber goldene Uhr nicht mit, angeblich aus Zeitmangel. (Hatte aber genug Zeit, die Handtasche der Toten zu öffnen.)
5. Hat mehrere Fluchtchancen, flieht aber nicht.
Auf einem zweiten Blatt:
1. Von der Schupo-Wache aus geführtes Telefonat überprüfen. (Mit wem hat Agenor gesprochen? Wer soll von seiner Verlegung ins 14. unterrichtet werden?)
2. Herkunft des 22er ermitteln. Wo wurde er gekauft?
3. Dieb, Betrüger, Hehler, Zuhälter, Schlepper, Fälscher. Kein Gewaltverbrechen. Spuckt nur große Töne.
Anschließend sah Guedes sich Agenors Strafregister an. Die Taten, die er begangen hatte, waren Eigentumsdelikte (Artikel 155, 168, 171, 180), Sittlichkeitsverbrechen (Artikel 227 und 230), Delikte gegen die Familie (238) und schließlich ein Delikt gegen Treu und Glauben (Artikel 297). Unter seinen strafbaren Handlungen befand sich kein einziges »Verbrechen gegen die Person«, wie das Kapitel im Strafgesetzbuch heißt. { * }
Er legte die Blätter auf seinen Nachttisch. Dort lag mein Buch Die Liebenden, aber er griff nicht danach, um die Lektüre, die er ein paar Tage zuvor angefangen hatte, fortzusetzen. Ich glaube, er war zu dem Schluß gekommen, daß die Beziehung zwischen dem Leben des Autors und dem, was er schreibt, so oberflächlich und verlogen ist, daß es sich nicht lohnen würde, vierhundert Seiten zu lesen, um nichts in Erfahrung zu bringen. Er legte sich schlafen, fand aber nicht den ruhigen Schlaf der kleinen Beamten, die ihre Pflicht tun. Mehrmals in der Nacht wachte er auf und las seine Aufzeichnungen durch. Außerdem ging er zum Urinieren ins Badezimmer.
2
Am nächsten Tag kam er noch früher ins 14. Kommissariat. Er ging zum Gefängnis. Das Gefängnis bestand aus einer großen, mit Gefangenen überfüllten Zelle. Agenor lag mitten in der Zelle auf einer Liege mit einer dünnen grauen Decke über dem Körper. Er schlief noch.
»Bringen Sie Agenor zu mir in mein Zimmer«, sagte Guedes zum Gefängniswärter.
Agenor kam gähnend in Guedes’ Zimmer.
»Gut geschlafen?« fragte Guedes.
»Ja. Ich war sehr müde«, sagte Agenor.
»Konntest du ordentlich schlafen? Ist die Zelle nicht zu voll?«
»Doch, aber die Leute da sind in Ordnung, man richtet sich ein, keiner macht Ärger, Sie wissen ja, wenn alle zusammenhalten, ist das Leben einfacher.«
»Nette Leute, das sehe ich, sogar eine Liege haben sie dir besorgt. Wollen wir einen Kaffee trinken gehen?«
Die anderen Polizisten sahen Guedes mit dem Gefangenen hinausgehen, aber man respektierte den schmierigen Polypen viel zu sehr, als daß irgend jemand ihn daran gehindert oder auch nur deswegen kritisiert hätte.
In der Avenida Ataulfo de Paiva tranken sie einen Kaffee.
»Wie war das, als du die Frau umgebracht hast? Du bist nicht vom Fach, du bist doch nur ein Schwätzer.«
»Das war eine Idiotie«, antwortete Agenor.
»Erzähl, wie es passiert ist.«
»Ich rede nicht gern darüber, Seu
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