Bufo & Spallanzani
dem keine Bedeutung beigemessen und sich, müde vom Ausflug, hingelegt, um bis zum Abendessen ein wenig zu schlafen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit hatte ein Hausangestellter hinter einem Gebüsch, nicht weit von ihrem Bungalow, Suzy tot aufgefunden. Trindade hatte über Funk den Kommissar in Pereiras informiert, aber der Polizist sollte erst am nächsten Tag kommen, nachts war der Weg zum Refúgio nicht passierbar.
»Polizeikommissar?« fragte ich. »Was hat die Polizei damit zu tun?«
»Dona Suzy ist ermordet worden«, sagte Trindade. Er fügte hinzu, die anderen Gäste säßen in diesem Augenblick im Haupthaus zusammen und wollten, daß ich dazukäme.
Die Tische im Speiseraum des Haupthauses waren zusammengerückt worden, und die Gäste saßen um sie herum. Als ich mit Trindade hereinkam, hörten sie auf zu reden. Ich setzte mich auf einen freien Stuhl. Orion räusperte sich. Er sollte also als Sprecher fungieren. Es dauerte noch etwas, ehe er sprach.
»Wir sind der Meinung, daß Suzy heute nachmittag ermordet wurde, während wir auf unserem Picknick waren«, sagte er mit einer Handbewegung zu den anderen Gästen. Euridíce hielt die Hände vor dem Gesicht; Carlos war noch blasser als sonst; Juliana vermied es, mich anzusehen; Roma und Vaslav waren ernst und nachdenklich.
»Haben Sie sie vielleicht heute gesehen? Die Hausangestellten haben sie zum letzten Mal beim Mittagessen gesehen. Aber Sie sind nicht zum Mittagessen gekommen, stimmt’s?«
Irgendeiner übernimmt immer die Polizistenrolle, und wenn man sämtliche Guedes umbringt, es nützt nichts.
»Ich war von Zecken gebissen worden und überall geschwollen, ich habe mir eine Spritze gegeben, und die hat mich umgehauen«, sagte ich.
Ich sah auf meine Hände und verstummte. Dann schob ich die Ärmel hoch und besah mir die Arme. Meine Hände und meine Arme sahen normal aus. Ich stand auf, ging unter aller Blicken zu einem Spiegel an der Wand des Speiseraums und betrachtete mein Gesicht. Nicht die geringste Spur von Zeckenbissen. Ich kehrte zurück, setzte mich und sagte: »Diese Spritze wirkt Wunder.«
Neuerliches Schweigen. Ein verstohlener Blick von Juliana. Euridíce vergrub noch immer den Kopf in den Händen. Wahrscheinlich war Euridíce die Frau, die versucht hatte, ihren Mann zu töten.
Ich versuchte, mich an Einzelheiten des Gesprächs zu erinnern, das ich am Morgen mit Suzy geführt hatte. Nur Euridíce konnte die Maria aus der Geschichte sein, die Suzy erzählt hatte; Roma konnte es nicht sein, Juliana auch nicht. Aus Ärger über Euridíces Flirt mit Carlos hatte Suzy beschlossen, ihre Geliebte zu verraten. Irgend etwas stimmte aber nicht an dieser Überlegung. Sollte das Ganze eine reine Erfindung von Suzy gewesen sein? Ein neuerliches Räuspern von Orion unterbrach meine Gedankengänge.
»Ein Zimmermädchen hat gesagt, es habe Ihnen heute morgen einen Zettel von Suzy gegeben.« Die Stimme des Maestro klang förmlich, wie von einem Amtsrichter.
»Was soll das? Glauben Sie etwa, ich hätte Suzy umgebracht? Sind Sie alle verrückt?« Ich sprang auf, so daß der Stuhl zu Boden fiel.
»Immer mit der Ruhe, Seu Gustavo«, sagte Trindade. Erst jetzt merkte ich, daß er einen Revolver im Gürtel trug und den Griff abwechselnd anfaßte und losließ.
»Das behauptet doch keiner. Wir machen uns nur Sorgen«, sagte Roma. »Wissen Sie was? Ich habe die Geschichte zu dem Thema, das Sie mir gegeben haben, schon geschrieben.«
»Man hat diesen Einsiedler im Refúgio herumschleichen sehen«, sagte Vaslav.
»Das ist alles absurd«, sagte Carlos so vehement, daß seine Stimme wie die einer Frau klang, »weder der Einsiedler noch Gustavo haben irgend etwas mit Suzys Tod zu tun.«
»Aber jemand hat sie umgebracht«, sagte Orion.
»Und wir sitzen jetzt hier hoch oben in einem Gebirge, von Urwald umgeben, in der Gesellschaft eines Mörders und können nicht weg von hier«, sagte Roma.
»Morgen ist der Kommissar aus Pereiras hier«, sagte Trindade.
»Wo ist ihre Leiche?« fragte ich.
»Im Bungalow. Euridíce bleibt über Nacht hier im Haupthaus, wir haben ihr ein Zimmer fertig gemacht, neben unserem. Rizoleta kümmert sich um sie«, sagte Trindade.
»Ich gehe schlafen. Gute Nacht«, sagte ich. »Und Sie, Euridíce? Sie sagen ja gar nichts?«
Sie verbarg noch immer das Gesicht in den Händen.
Ich verließ die Runde um den Tisch.
An diesem Tag hatte ich zum erstenmal, seit Minolta einen anderen Mann aus mir gemacht hatte, an ein und demselben Tag
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