Bufo & Spallanzani
Guedes.«
»Mit mir wirst du schon reden müssen.« Sanft, aber unerbittlich.
»Das hab’ ich Ihnen doch schon erzählt.«
»Dann erzähl es noch mal.«
Agenor wiederholte seine Geschichte.
»Wie hast du auf sie geschossen?«
»Wie ich auf sie geschossen hab’?«
»Ja. Du hast Zeit zum Nachdenken.«
Agenor kratzte sich an der Wange. Das machte er gewöhnlich, wenn er nervös wurde.
»Wie schießt man schon auf jemand? Man richtet den Revolver auf ihn und schießt.«
»Warst du im Wagen oder draußen?«
»Drinnen. Ich saß neben ihr.«
»Hast du ihr den Revolver auf den Körper gedrückt, als du sie erschossen hast?«
»Nein. Das weiß ich nicht mehr. Ich war nervös, sie hat sehr geschrien.«
»Hattest du schon jemals zuvor auf einen Menschen geschossen?«
»Nein.«
»Wo hattest du den 22er her?«
»Von einem aus meinem Viertel gekauft.«
»Von wem?«
»Ich verrat’ doch keinen Kumpel.«
»Du kannst ruhig sagen, wie er heißt. Ich tue ihm nichts.«
»Gibi.«
»Es gibt viele Gibis in Mangueira. Beschreib ihn mal ein bißchen.«
»Heller Mulatte. Spielt in der Sambaschule Tamburin. Prima Kerl.«
»Na schön. Du hast auf die Frau geschossen. Und dann?«
»Dann bin ich abgehauen.«
»Und die Zigarettenspitze?«
»Ach ja, die Zigarettenspitze. Ich hab’ die Tasche aufgemacht und sie rausgenommen.«
»Und die Uhr?«
»Welche Uhr?«
»Sie hatte eine goldene Uhr.«
»Die hab’ ich nicht gesehn.«
»Du bist eine ganze Zeit mit der Frau am Steuer unterwegs gewesen und hast nicht gesehen, daß sie eine massive Golduhr am Handgelenk hatte?«
»Nein, hab’ ich nicht.«
»Und wie war das noch, warum bist du in der Straße gelandet?«
»Ich wollte in den Tijuca-Wald, ich dachte, die Straße würde dahin fuhren.«
»Du wolltest in den Tijuca-Wald, um die Frau zu vergewaltigen?«
»Ja.«
»Hattest du schon mal eine vergewaltigt? In deinem Strafregister steht nichts von einer Vergewaltigung.«
»Das wär’ die erste gewesen. Die Frau war Klasse. Stimmt doch, oder?«
»Noch mal zurück zu dem Augenblick, als du auf sie geschossen hast. Erzähl noch einmal, wie das war.«
»Wir sind in die Straße gekommen, und da hab’ ich gesehn, daß das ‘ne Sackgasse war, und hab’ zu der Frau gesagt, sie soll wenden. Da ist der Wagen abgesoffen, und ich bin nervös geworden und hab’ sie geschlagen. Da hat sie angefangen zu schreien, und ich hab’ den Kopf verloren und auf sie geschossen.«
»Weiter.«
»Nachdem ich geschossen hab’, dachte ich nur: Nichts wie weg. Der Wagen war abgesoffen, und ich kann auch gar nicht fahren. Da bin ich abgehauen.«
»Und die Zigarettenspitze? Du vergißt dauernd die Zigarettenspitze.«
»Ich hab’ die Tasche aufgemacht und die Zigarettenspitze rausgenommen.«
»Die Uhr hast du nicht gesehen.«
»Nein, die Uhr hab’ ich nicht gesehen.«
»Noch mal zurück zu dem Augenblick, als du auf sie geschossen hast. Willst du noch einen Kaffee?«
»Ja, bitte.«
Guedes bestellte noch zwei Kaffee. Sie standen am Tresen einer Kneipe. Außer ihnen war niemand da. Es war noch sehr früh, die Kneipe hatte gerade aufgemacht. Der Polizist und der Häftling wirkten wie zwei Freunde, die sich leise unter vier Augen unterhielten.
»Du hast auf sie geschossen. Wie hat sie geschrien?«
»Geschrien halt.«
»Wollte sie aus dem Wagen raus, hat sie versucht, sich zu wehren, dich angegriffen? Jeder schreit auf seine Art, die einen toben, andere kuschen, jeder reagiert anders. Wie war das bei ihr? Sie gehörte bestimmt zu der Sorte, die tobt, wenn du davon so nervös geworden bist.«
»Und wie!«
»Und wie? Wie was?«
»Und wie sie getobt hat.«
»Und der Revolver? Was hast du mit dem Revolver gemacht?«
»Weggeworfen.«
»Weggeworfen?«
»Ach, nein, ich hab’ ihn der Frau in die Hand gesteckt, damit es wie Selbstmord aussieht.«
»Und dabei die goldene Uhr nicht gesehen?«
»Ich hab’ ihr den Revolver in die rechte Hand gesteckt. Die Uhr war wohl an der linken.«
»Weißt du, warum ich in eine Kneipe gegangen bin, um mit dir über diese Sache zu reden?«
»Nein.«
»Um dir eine Chance zu geben, die Wahrheit zu sagen. Ich behandele dich fair.«
»Ja, das tun Sie, Seu Guedes. Vielen Dank.«
»Und dafür tischst du mir schamlose Lügen auf.«
»Nein, das stimmt nicht.«
»Du behauptest, du könntest nicht Auto fahren, aber ich habe in deiner Akte gelesen, daß du mal Taxifahrer gewesen bist.«
»Aber ich – «
»Laß mich weiterreden. Du hast die Polizei
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