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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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dem Traktor aus und beratschlagten leise. Der Spurenexperte, der einen Kissenbezug mit einem Gegenstand darin trug, stieg in den Anhänger, setzte sich neben das schwarze Paket, und der Traktor fuhr langsam los.
    Trindades Büro wurde zum Arbeitsraum der Polizisten. Der Kommissar aus Pereiras hatte beschlossen, die Aussagen an Ort und Stelle im Refúgio aufzunehmen, denn in Pereiras gab es keine Hotels, wo die Leute unterkommen konnten, solange der Protokollant seine Arbeit verrichtete. Ich wurde als erster vernommen.
    Fragen und Antworten zusammengefaßt, verlief meine Vernehmung ungefähr so (nach den üblichen Fragen zur Person et cetera):
    »Kannten Sie das Opfer?«
    »Ich habe sie hier kennengelernt.«
    »Sie hatten sie vorher noch nie gesehen?«
    »Nein.«
    »Waren Sie gestern, also an dem Tag, an dem sie starb, mit ihr zusammen?«
    »Ja, ich war gestern mit ihr zusammen.«
    »Wo?«
    »In ihrem Bungalow. Ich hatte einen Zettel erhalten, mit der Bitte, zu einem Gespräch zu ihr zu kommen.« Ich zog den Zettel aus der Tasche und reichte ihn dem Kommissar. Bis zu diesem Augenblick war ich unsicher gewesen, ob ich diesen Zettel zeigen sollte oder nicht. Es war ein plötzlicher Entschluß.
    Der Kommissar las laut: »Das Hausmädchen, das mir das Frühstück gebracht hat, wird Ihnen diesen Zettel geben. Euridíce geht reiten, ich werde den ganzen Vormittag im Bungalow sein. Kommen Sie her. Ich muß mit Ihnen sprechen. Suzy.« Anschließend reichte er den Zettel an den Protokollanten weiter. »Das behalten wir«, sagte er. »Zu Ihrem Besten«, fügte er hinzu.
    Zu meinem Besten? Was wollte er damit sagen?
    »Worüber wollte sie mit Ihnen sprechen?«
    Ich hatte nicht vor, dem Kommissar irgend etwas von der Geschichte mit Maria, der Beinah-Mörderin, deren wahrer Name Euridíce sein mußte, zu erzählen. Ich mußte mir irgendeine plausible Geschichte ausdenken, was nicht schwer war für einen wie mich, der darauf spezialisiert ist, glaubwürdige und annehmbare Märchen zu erfinden.
    »Sie glaubte, ich hätte eine – natürlich nicht entwickelte – Veranlagung zum Zweiten Gesicht.«
    »Was bedeutet das?«
    »Sie hat das auch als Hellseherei bezeichnet. Das ist die Fähigkeit, die Zukunft zu sehen, um es so auszudrücken.«
    »Und Sie haben diese Fähigkeit?« Ein rascher Blick zum Protokollanten.
    »Nein. Ich kann noch nicht einmal die Vergangenheit richtig erkennen und erst recht nicht die Zukunft. Aber Suzy glaubte an diese Sachen. Sie hat mir auch gesagt, daß Trindade nicht entwickelte mediale Fähigkeiten besäße. Kurz, wir haben uns etwas unterhalten, und schon bald war sie über meine Skepsis enttäuscht, die ich zwar nicht durch Worte ausgedrückt habe, aber sie wurde auch so offenbar. Um unsere Fähigkeiten zu entwickeln, ist das Wichtigste, daß wir an sie glauben, sagte sie vorwurfsvoll zu mir. Ich bin nicht lange im Bungalow geblieben.«
    »Und danach haben Sie sie nicht mehr gesehen?«
    »Nein.«
    »Als Sie im Bungalow waren, haben Sie da eine Bronzeskulptur gesehen?«
    »Die Eule? Sie stand auf dem Tischchen im Wohnraum.«
    »Derjenige, der sie getötet hat, hat diese Eule als Schlaginstrument benutzt«, sagte der Kommissar. »Mehrere Schläge auf den Kopf, den ersten vermutlich auf die Schädelbasis. Der Spurenexperte meint, daß sie gleich nach diesem Schlag gestorben ist.«
    Manche meiner Erklärungen ließ der Kommissar vom Protokollanten aufnehmen. Andere hielt er vermutlich für unbedeutend, denn er ließ sie nicht festhalten. »Haben Sie irgend jemanden in Verdacht?« fragte er schließlich. »Nein«, antwortete ich.
    Minolta wartete auf der Terrasse auf das Ende meiner Vernehmung. Sie unterhielt sich angeregt mit Orion und Juliana. In einer anderen Ecke saßen schweigend Roma, Vaslav und Carlos. Guedes war nicht zu sehen. Carlos wurde zur Vernehmung gerufen. Er war unruhig, ich spürte richtig die Anspannung in seinem Körper. Seine Hände zitterten.
    Die Vernehmungen dauerten den ganzen Vormittag und keiner verließ die Terrasse, nicht einmal Minolta, die immerhin eine Reise hinter sich hatte. Einer der Polizisten kam mehrfach mit geheimnisvollen, eiligen Aufträgen aus dem Vernehmungsraum heraus.
    Die Polizisten nahmen das Mittagessen im Speiseraum an einem von den übrigen Gästen abgesonderten Tisch ein. Euridíce aß auf dem Zimmer. Trindade erklärte, es gehe ihr nicht gut. Zum Mittagessen gab es ein höchst köstliches geschmortes Gürteltier, das auf dem Gelände des Refúgio erlegt

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