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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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ist noch nie ein Buch nicht gelesen worden, weil ihm ein spannender Anfang fehlte.
    »Von allem Geschriebenen liebe ich nur das, was einer mit seinem Blute schreibt«, sagte Nietzsche, für den Blut und Geist das gleiche waren. Meine ersten Bücher sind mit Blut geschrieben worden. Nach zehnjährigem Versteck in einem Haus mußte in meinem Geist die gleiche Revolte aufkommen, wie sie den Marquis de Sade gepackt hatte.
    In den Jahren, in denen ich nach meiner Flucht aus der Irrenanstalt eingesperrt war (Sie können auch sagen, ich hätte mich selbst in ein Verlies gesperrt, was durchaus der Wahrheit entspricht, aber ich hatte keine andere Wahl, als mich wie ein waidwundes, umzingeltes Tier zu verstecken), entstand in mir Verachtung für die Menschheit im allgemeinen und die Mächtigen im besonderen.
    Ich bat Minolta, mir Bücher darüber zu beschaffen, wie das durch einen Atomkrieg verursachte Ende der Welt aussehen würde (oder wird?). Ich hatte Spaß daran, mir die Katastrophe auszumalen, die Verbrannten, die auf der Stelle zusammenschrumpfen, die Verletzten, die ohne ärztliche Hilfe mit dem Tode ringen, die Strahlenverseuchten, die langsam dahinsterben, und jene, die vor Hunger, Durst oder Kälte oder im Wahnsinn sterben, ehe die Strahlung ihre Wirkung tun kann. Ich las, was die Russen Bajew, Boschkow, Moisjew, Sagdejew, Alexandrow und die Amerikaner Holdren, Sagan, Ehrlich, Roberts und Malone geschrieben hatten. Das grauenhafte Ende der Welt stand dicht bevor, aber weder die Wissenschaftler noch die Dichter, noch die Heiligen taten irgend etwas, um zu verhindern, daß es eintrat. Die Tage der Spezies waren gezählt.
    Ich stand kurz vor dem Wahnsinn, da rettete mich Minolta. Die Tage der Spezies Mensch sind vielleicht noch immer gezählt, aber der Wahnsinn lauert nicht mehr vor meiner Tür. Ich will nicht mehr morbide an Hekatomben denken. Solange das Ende noch nicht gekommen ist und um zu verhindern, daß es kommt, muß der Mensch lieben. Das ist es, was Minolta mir beigebracht hat. Und diese Hoffnung wurde mir im Bett beim Bumsen und am Tisch beim Essen vermittelt. Die einzige wirkliche Überlebenschance liegt für den Menschen darin, daß er immer mehr Freude am Leben findet. Dies ist eine so offensichtlich rettende Perspektive, daß sie schon wie kompletter Blödsinn klingt.
    Ich weiß, daß ich viel rede, und aus diesem Grund hat man mich auch schon als neunmalklugen Mulatten bezeichnet. Neunmalklug oder auch naseweis, was im Grunde bedeutet, daß jemand die Nase vorn hat, auf etwas hinweist. Ja, ich bin neunmalklug im Sinne von anmaßend, eitel, eingebildet und auch naseweis, denn ich weise ständig auf etwas hin. Je besser ein Schriftsteller ist, um so neunmalkluger, ich meine, naseweiser ist er auch.

2
     
    Ich befand mich auf der Terrasse, als der Traktor mit Minolta, Guedes und den Polizisten von der Polizeiwache aus Pereiras kam. Guedes’ Anwesenheit trübte in gewissem Maße meine Freude, Minolta zu sehen. Er kam auf mich zu und begrüßte mich.
    »Ich habe Urlaub und wußte nicht, wohin … Da fiel mir ein, daß Sie mir von diesem Ort hier erzählt hatten.«
    Natürlich glaubte ich ihm nicht. Und schon gar nicht, als ich sah, wie er sich mit Trindade ins Wohnzimmer des Verwalters vom Refúgio zurückzog.
    Die Polizisten aus Pereiras fuhren im Jeep zu dem Bungalow, in dem Suzys Leiche lag. Nach einer Weile kam der Spurenexperte mit dem in schwarzes Plastik gewickelten Leichnam zurück. Mit Trindades Hilfe trug er den Leichnam zum Traktor.
    Der Spurenexperte stieg in den Jeep und fuhr zum Bungalow zurück. Wir starrten auf das schwarze Paket im Traktoranhänger, das in seiner fragilen Einsamkeit obszön und reizvoll zugleich war. Ein pestartiger Geruch ging von ihm aus; oder bildete ich mir das nur ein? Mit Ausnahme von Euridíce, die auf Romas Rat verschwunden war, kaum daß der Traktor mit den Polizisten in Sichtweite kam, waren alle da und dazu noch Guedes, der sich angesichts der Ereignisse mit einer Unauffälligkeit verhielt, wie Polypen und Katzen sie gern zur Schau tragen, wenn sie an irgend etwas besonders interessiert sind: Mal beobachtete er einen Kolibri, der aus einer auf der Terrasse hängenden Tränke mit bunten Plastikblumen Zuckerwasser saugte, mal schaute er zu einem Baum in der Ferne, als sähe er auf einem seiner Zweige einen Schimpansen oder eine Raubkatze; einmal gähnte er sogar.
    Wir hörten das Geräusch des Jeeps. Diesmal saßen alle drei Polizisten darin. Sie stiegen neben

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