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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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fertig«, sagte Roma.
    »Dann sind Sie die einzige. Ich glaube nicht, daß … Hat sie irgend etwas geschrieben?« Orion sah mich fragend an.
    »Nicht, daß ich wüßte.« Die Geschichte von Maria, de Beinah-Mörderin, die Suzy erzählt hatte, hatte mit unserem Spiel nichts zu tun.
    »Dann haben Sie gewonnen«, sagte Orion zu Roma. »Ich muß etwas gestehen. Ich habe meine Geschichte mit allem Drum und Dran im Kopf, aber wenn ich mich ans Schreiben setze, geht es nicht. Ich nehme alles zurück, Schreiben ist schwieriger als ich dachte. Das heißt, es erfordert eine enorme physische Anstrengung. Ich glaube, daß die körperliche Anstrengung größer ist als die geistige. Ist das nicht so? Geben Sie es zu.« Ehe ich etwas antworten konnte, fuhr der Maestro fort: »Wenn man seine Gedanken automatisch zu Papier bringen könnte, dann wäre meine Geschichte großartig, das schwöre ich Ihnen.«
    »Wie ist Ihre Geschichte denn?«
    »Also, es ist eine Dreiecksgeschichte. Ein berühmter Maestro, seine Frau und der Konzertmeister. Sie wissen, welche Rolle der Konzertmeister in einem Orchester spielt?«
    Alle wußten es.
    »Nun gut, der Maestro war der Geliebte der Frau des Konzertmeisters.«
    »Warum nicht umgekehrt?« fragte Vaslav.
    »Um nicht den Berufsstand der Dirigenten zu verunglimpfen. Die Ehe brechen, ja, aber gehörnt werden? Nie im Leben«, sagte Roma.
    »Kann ich nun meine Geschichte erzählen oder nicht?«
    »Jetzt wollen wir ihn doch bitte reden lassen«, sagte ich.
    »Eines Tages bekam der Konzertmeister heraus, was sich abspielte. An dem Tag war Probe. Der Konzertmeister stellte den Maestro zur Rede, die beiden diskutierten und stritten sich, und bei dem Streit machte der Maestro die Geige des Konzertmeisters kaputt. Wie die Geige kaputtgeht, das weiß ich noch nicht. Ich habe schon überlegt, daß es während der Probe passieren könnte, der Maestro will den Konzertmeister treten, tritt daneben und trifft die Geige.«
    »Das wäre sehr merkwürdig. Warum sollte der Dirigent den betrogenen Ehemann treten?«
    »Eben, deshalb habe ich diese Idee mit dem Fußtritt bei der Probe aufgegeben. Kurzum, irgendwie geht die Geige des Konzertmeisters kaputt. Es war eine Janzen, aber was das bedeutet, wissen Sie nicht. Sie alle haben schon von der Stradivari gehört, die als die beste Geige der Welt gilt und die keiner je hat nachbauen können. Natürlich haben viele Geigenbauer versucht, das Modell von Cremona zu kopieren, das über die Amatis und Guarneris an Antonio Stradivari kam, der es dann zur Vollendung brachte. Es gab noch andere berühmte Geigenbauer wie Vuillaume, Fendt, Gilkes, Lupot, Pique, sie alle haben gute Instrumente gebaut, jedoch nie die überragende Qualität der Stradivari erreicht. Langweile ich Sie?«
    »Im Gegenteil, ich bin fasziniert«, sagte Minolta, die gern dazulernte.
    »Und nun die Janzen aus unserer Geschichte. Gustav Janzen wurde in Rußland geboren, kam aber schon als Kind nach Brasilien, zunächst nach Santa Catarina. Mit dreizehn Jahren baute er seine erste Geige, vermutlich ein primitives Stück, das wissen wir nicht. Er arbeitete als Möbeltischler und begann sich schon sehr früh mit Akustik zu beschäftigen. Er hatte von der Geschichte der Stradivari erfahren und in seinem tollkühnen jugendlichen Übermut beschlossen, eine ebenso gute Geige zu bauen wie der große Meister aus Cremona. Fünfzig Jahre lang studierte Janzen die Konstruktion dieser Geige. Einen Teil seines Lebens verbrachte er in Kanada, aber das kalte Klima bekam ihm nicht, weshalb er nach Brasilien zurückkehrte und sich in Mato Grosso niederließ. Es heißt, er sei nach Mato Grosso gegangen, weil das gut für seine Lungen war, aber einer anderen Version zufolge hatte Janzen herausgefunden, daß zum Trocknen des Geigenlacks die Sonne in Mato Grosso die beste der Welt ist, sogar noch besser als die Sonne in Cremona. Fest steht, daß es in Mato Grosso war, wo es ihm endlich gelang, diese großartige Leistung zu vollbringen, an der sich im Laufe der Jahrhunderte berühmte Geigenbauer vergeblich versucht haben: eine der Stradivari ebenbürtige Geige zu bauen.«
    »Phantastisch«, sagte Roma. »Ich bewundere solche besessenen Menschen grenzenlos.«
    »Die Bauweise der Stradivari-Geigen zu kopieren, ist durchaus möglich, sich ihre Akustikprinzipien anzueignen, ist auch nicht schwierig. Das für den Bau erforderliche Material ist selten, aber zu bekommen. Das Problem für alle, die die Stradivari imitieren oder irgendeinen

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