Bufo & Spallanzani
umbringen lassen?«
»Ich weiß nicht, ob er so weit gehen würde, aber überraschen würde es mich nicht. Er wußte, daß Delfina ein Verhältnis mit diesem Schriftsteller hatte, und er ist nicht der Mann, der so etwas gelassen hinnimmt.«
Die Begegnung mit Dona Bernarda:
»Haben Sie keine Angst, so spät nachts durch die Straßen zu gehen?« fragte Guedes, als er sie traf. Es war ein Uhr nachts, und die Rua Abade Ramos war menschenleer.
Dona Bernarda sah ihn durch die Gläser ihrer dickrandigen Brille an.
»Ich bin schon zu alt, um Angst zu haben. Außerdem ist mein Adolfo krank und muß um diese Zeit raus, und ich habe niemand, der mit ihm rausgehen kann.«
Guedes bückte sich und streichelte dem Hund den Kopf. »Was hat er denn?«
»Ich weiß nicht. Um diese Zeit fängt er immer an zu jaulen, und wenn er, dann nicht rauskommt, kriegt er Krämpfe und seibert sich voll und macht noch schlimmere Sachen, der Arme. Der Tierarzt weiß auch nicht, was er hat. Und Sie? Haben Sie keine Angst, um diese Zeit unterwegs zu sein?«
»Ich bin bei der Polizei«, sagte Guedes. »Das ist meine Arbeit.«
Dona Bernarda war eine gute Beobachterin. Ja, sie hatte so einen Mann wie den gesehen, den der Polizist ihr beschrieben hatte, er war zwei Häuser weiter über Adolfo gestolpert; ja, sie würde ihn wiedererkennen, natürlich; welcher Tag das war?, ganz einfach, das war Adolfos Geburtstag, und sie hatte ihm Zuckerei gegeben, Adolfo war verrückt nach Zuckerei, sie wußte, daß Adolfo kein Zuckerei fressen durfte, aber einmal im Jahr, das konnte doch nicht so schlimm sein. War es aber. Wie hätte sie denn so einen Tag vergessen können.
3
Währenddessen wachte Minolta in Iguaba mitten in der Nacht auf und sah eine Gestalt neben ihrem Bett stehen. Da es sehr dunkel war, sah sie nur den Umriß des weißen Gewandes der Gestalt, das fluoreszierend leuchtete.
»Wer sind Sie?« fragte sie in Angst und Schrecken.
»Ein Freund«, sagte die Gestalt mit heiserer Stimme.
»Was wollen Sie?«
»Die Zeit läuft ab«, sagte das Gespenst. Und verschwand.
Minolta stand auf, packte Kleidungsstücke in eine kleine Reisetasche, setzte sich auf einen Stuhl und wartete darauf, daß es Tag wurde. Früh am Morgen stieg sie in einen Bus nach Rio de Janeiro.
Nach der Ankunft in Rio de Janeiro ging sie zu dem Reisebüro, wo sie mich für das Refúgio do Pico do Gavião angemeldet hatte. Es gebe erst in drei Tagen eine Verbindung zum Pico, sagte man ihr. »Wenn man zum Pico will, muß man einen Sonderbus nehmen, der einmal in der Woche von Pereiras abfährt.«
Ein junger Mann, der das Gespräch zwischen Minolta und dem Reisebüroangestellten mitangehört hatte, mischte sich ein und sagte, er habe am Vormittag mit der Kontaktperson, dem Ladenbesitzer in Pereiras, gesprochen, und er habe ihm gesagt, am nächsten Tag würde eine Sondertour gefahren, um den Polizeikommissar zum Pico zu bringen. Es habe am Pico einen Mordfall gegeben.
»Das war es, was die Gestalt mir sagen wollte«, sagte Minolta. »Wie kommt man nach Pereiras?«
»Haben Sie einen Wagen?«
»Nein.«
»O je … « Der junge Mann kratzte sich am Kopf. »Also, das ist so, schreiben Sie sich das auf, sonst finden Sie da nie hin.«
Als ihr klar war, daß sie keine Zeit verlieren durfte, rannte Minolta, sobald sie die Erklärungen aufgeschrieben hatte, die der junge Mann ihr gegeben hatte, aus dem Reisebüro. Am Ausgang stieß sie gegen einen Mann, der hineinwollte, und mußte sich an ihm festhalten, um nicht hinzufallen.
»Entschuldigen Sie«, sagte Minolta.
»Ich muß mich entschuldigen«, sagte der Mann in speckigem Blouson und mit gelben Augen.
Minolta stieg am Busbahnhof Novo Rio in einen Bus nach Resende; dort in einen Bus nach Queluz. In Queluz nahm sie einen Bus nach Areias, immer laut Anweisung des jungen Mannes aus dem Reisebüro. In Areias einen Bus nach Pereiras. Obwohl sie tief in Gedanken versunken war, stellte Minolta fest, daß der Mann mit dem speckigen Blouson auch im Bus saß.
Abends um neun kam sie in Pereiras an, stieg aus und sah nicht, wohin der Mann ging. Seit Tagesanbruch hatte sie in Bussen gesessen oder auf Busbahnhöfen gewartet, aber sie war nicht müde. Den kleinen Platz zu finden, den der junge Mann aus dem Reisebüro ihr beschrieben hatte, war nicht schwierig; es war der einzige in dem Dörfchen.
Sie verbrachte die Nacht im Sitzen auf einer Bank auf dem Platz. Gegen Morgen, als die Vögel in den Bäumen zu singen anfingen, erschien der
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