Bufo & Spallanzani
der anderen großen Meister aus Cremona kopieren wollten, ist der Lack. Kein Mensch hat je wieder einen solchen Lack herstellen können. In den letzten Jahrzehnten hat man mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Chemiker, Kunsthandwerker, Macumbeiros, Künstler, Mathematiker mit ihren Computern, Wissenschaftler von der Nasa und weiß der Teufel wen aufgefordert zu versuchen, einen solchen Lack herzustellen, aber vergeblich. Nun gut, angeblich hat Janzen die geheime Lackformel von del Gesù herausgefunden. Janzen spricht nicht darüber. Jedenfalls hat er eine Geige gebaut, die viele für besser als die Stradivari halten. Der erste Anlaß, bei dem eine Janzen dieser Qualität benutzt wurde, war ein Konzert im Jahre 1983 im Cecilia-Meireles-Saal. Dieses Verdienst hat sich der Geiger Jerzy Milewski erworben. Milewski spielte bei seinen Konzerten im allgemeinen auf einer Camilo Camini, einer 1710 gebauten Geige, die ein Vermögen wert ist; aber irgend jemand brachte ihm eine Janzen, und Milewski ließ seine Camini liegen und spielte auf der Janzen. Er war so begeistert von der Qualität dieser neuen Geige, daß er eine kaufte und sie Isaac Stern schenkte. Derzeit spielen Menuhin, Ricci, die größten Geiger der Welt auf einer Janzen. Verstehen Sie jetzt, welche Bedeutung das Instrument hat, das der Protagonist meiner Geschichte mit einem Fußtritt kaputtmacht?«
»Nicht mit einem Fußtritt, das geht nicht. Das ist unsinnig«, sagte Roma.
»Dann vielleicht mit einem Fausthieb?« fragte Minolta.
»Geht eine Geige von einem Fausthieb kaputt? Aus was für einem Holz sind Geigen?« fragte Vaslav.
»Aus bestimmten Edelhölzern wie zum Beispiel Ebenholz oder Brasilholz, das man für die Bögen benutzt. A propos Holz, Janzen hat auch andere Hölzer entdeckt, wie zum Beispiel das vom Faveiro, einem in Zentralbrasilien häufig vorkommenden Baum, das man für Bögen verwenden kann. Ob ein Fausthieb reicht? Ich nehme es an, aber sicher bin ich nicht, kein Mensch hat es je gewagt, mit der Faust auf eine Geige zu schlagen.«
»Nur Ihr Eroberer, der Maestro. Und Ihre Geige, was für eine ist das?«
»Meine ist eine Guadagnini von 1780, eine Kostbarkeit. Wenn meine Geige mir abhanden käme – ich glaube, dann würde ich vor Kummer sterben«, sagte Orion. »Aber kehren wir zu Janzen zurück. Er hat ein Buch geschrieben, auf deutsch – Luftsäulenraum, Akustik und Geigenbau – «
»Nanu, ich denke, er war Russe?«
»Er ist in einer von Deutschen kolonisierten Stadt geboren, seine Muttersprache war Deutsch, als er klein war, sprach er hier in Brasilien zu Hause Deutsch. Aber in diesem Buch sagt Janzen nicht nur, daß er die akustischen Gesetze der Stradivari herausgefunden hat – vom Lack sagt er kein Wort –, er behauptet auch, daß die Geige mehrere Krisen durchlebt, regelrechte Entwicklungsstufen, ehe sie ihre volle Reife erreicht. Die erste nach sechs Stunden Benutzung. Die zweite, heftigere, nachdem sie sechzig Stunden gespielt worden ist. Dann verfällt die Geige in eine Depression, aus der sie erst nach acht- bis zehnstündigem Üben herauskommt. Eine Geige erreicht, nebenbei bemerkt, ihre größte Leistungsfähigkeit erst im Alter von sechzig Jahren; wir können also noch nicht wissen, ob die Janzen wirklich die neue Stradivari ist. Aber aus irgendeinem Grunde können die großen Geiger, die einmal die Gelegenheit gehabt haben, auf ihr zu spielen, sie nicht mehr weglegen. In sechzig Jahren – das habe ich aus Milewskis Mund gehört, und ich glaube, auch Lehninger hat dasselbe gesagt – wird sich zeigen, daß sie von unerreichbarer Vollkommenheit und Qualität ist.«
»Wollten Sie das alles in Ihrer Geschichte schreiben?«
»Natürlich nicht. Fachsimpelei ist etwas sehr Unerfreuliches. Ich habe mich in meiner Begeisterung hinreißen lassen. Ich wollte mich auf die Dreiecksgeschichte konzentrieren. Es muß eine schmerzliche Erfahrung sein, festzustellen, daß die eigene Frau etwas mit einem anderen Mann hat.«
»Ich weiß nicht, ob schmerzlich das richtige Wort ist«, sagte ich.
»Manche fangen dann an, um sich zu schießen«, sagte Roma.
»Ich glaube, das ist von Mensch zu Mensch verschieden«, sagte Juliana.
In diesem Augenblick stand Carlos, der bis dahin geschwiegen hatte, von seinem Stuhl auf und verließ nach einem Blick zu mir, als wollte er etwas sagen, die Terrasse. In der Terrassenecke schloß Guedes seinen speckigen Blouson, denn es wurde, wie immer am späten Nachmittag, allmählich kühler.
»Ein
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