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 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
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Verhältnis mit der Frau des Konzertmeisters zu haben, hatte dem Maestro keine größeren Gewissensbisse bereitet, aber daß er ihm mit einem Fußtritt oder Fausthieb oder wie auch immer die Janzen kaputtgemacht hatte, darüber war der Maestro zutiefst zerknirscht. Er wußte, wie sehr der Konzertmeister seine Geige liebte, er hatte die künstlerische Entwicklung des Konzertmeisters miterlebt, seit dieser auf der Janzen spielte. Der Konzertmeister, der ein guter Musiker war, deshalb war er ja auch die Nummer eins im Orchester, hatte nach und nach eine phantastische Klangfülle aus der Geige herausgeholt. Das ganze Orchester hatte damit gewonnen; es spielte mit größerer Brillanz und Reinheit. Und der Maestro wußte, daß dies der Janzen des Konzertmeisters zu verdanken war. Den Maestro plagte unerträgliches Schuldbewußtsein, er fing an, sich vor Reue zu verzehren. Jedes Genie hat auch etwas Einfältiges.«
    »Mozart war angeblich ein Schwachkopf«, sagte Roma.
    »Jedes Genie ist ein Schwachkopf.«
    »Newton war keiner.«
    »Soll das heißen, daß ein Schwachkopf ein genialer Künstler sein kann, aber kein genialer Wissenschaftler?«
    »Einstein war auch ein Schwachkopf.«
    »Wagner war ein Schwachkopf. Beethoven war ein Schwachkopf und taub dazu.«
    »Flaubert war ein Schwachkopf.«
    »Wer ist kein Schwachkopf?«
    »Dona Rizoleta«, sagte ich. »Ein Schwachkopf bringt kein solches geschmortes Gürteltier zustande, wie sie es heute gemacht hat.«
    »Jetzt laßt aber Orion seine Geschichte erzählen«, sagte Minolta.
    »Inzwischen habe ich den Faden verloren. Wo war ich noch?«
    »Der Maestro fing an, sich vor Reue zu verzehren, weil er die Janzen des von ihm hintergangenen Ehemanns kaputtgemacht hatte.«
    »Ach, ja. Er verfällt in eine Depression, und seine Freunde wollen ihn zu einer Sonotherapie in eine Klinik bringen, sie wollen, daß er eine Analyse macht, daß er eine Reise unternimmt.«
    »Und der betrogene Ehemann?«
    »Ich muß gestehen, daß ich nicht wußte, was ich mit ihm machen sollte, und habe ihn fallengelassen. Gleich nachdem die Geige kaputt ist, verschwindet er aus der Geschichte.«
    »Schade«, sagte ich, »eigentlich ist die Theatralik betrogener Ehemänner interessant; sie haben ihre Illusionen und ihr Vertrauen verloren, Verrat erlitten – sie hätten mehr Aufmerksamkeit verdient, aber selbst Amateure wie Sie lassen sie mittendrin fallen.«
    »So ist es. Dem Maestro geht es immer schlechter, bis er sogar das Interesse an der Musik verliert. Er wird zu einem willenlosen Menschen, verbringt die Tage im Bett, wäscht sich nicht, rasiert sich nicht.«
    »War er verheiratet oder Junggeselle?«
    »Das hatte ich noch nicht geklärt. Vielleicht sollte er besser Junggeselle sein. Junggesellen drehen unerklärlicherweise eher durch als verheiratete Männer.«
    »Sein Zustand verschlechterte sich also wirklich, er drehte durch, wurde verrückt, und damit endet die Geschichte?«
    »Richtig verrückt wurde er nicht, und die Geschichte kann damit noch nicht zu Ende sein, weil ich mein Thema noch nicht verwendet habe, das Thema, das Gustavo ausgesucht hatte.«
    »Wie heißt Ihr Thema?« fragte Roma.
    »Das kommt gleich. Unser Maestro hatte also den Höhepunkt seiner Depression erreicht, da beschloß er, auf den Vorschlag eines Freundes einzugehen und sich in die idyllische Ruhe einer Fazenda wie dieser hier zurückzuziehen. Ich wollte alles beschreiben, was ich hier gesehen habe, die Landschaft, Menschen, Tiere, kurzum, von dem Leben hier im Refúgio erzählen, um meiner Geschichte Fülle zu geben. Das macht ein guter Schriftsteller doch, nicht wahr? Er verwendet in seinen Büchern Menschen, Ereignisse, Umgebungen aus dem realen Leben, nicht wahr?«
    »Ja, aber in Maßen. Als guter Schriftsteller kann nur jemand gelten, der es erstens schafft, ohne Inspiration zu schreiben, und zweitens, nur aus der Phantasie zu schreiben.«
    »Aber diese Regel gilt nicht für mich«, sagte Orion. »Da sitzt nun also unser Maestro, tief in seinem gedankenschweren Trübsinn, beim Mittagessen, starrt auf das geschmorte Gürteltier, das man ihm serviert hat, und empfindet so etwas wie Ekel vor diesem Essen, ist unglücklich, möchte am liebsten sterben.«
    »Ich finde, das geht zu weit«, sagte Roma.
    »Bei Anbruch der Dunkelheit – die Dämmerung ist in der Geschichte so wie hier, rosa Licht legt sich über die Berge, verleiht der Landschaft etwas Traumhaftes, aber für ihn etwas Albtraumhaftes – wird die Verzweiflung des

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