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Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)

Titel: Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leander Haußmann
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in Quedlinburg geboren. Am 26.   06.   1959. Im Harz. Das muss man nun ein ganzes Leben mit sich herumschleppen.
    Aufgewachsen bin ich in Berlin-Hirschgarten. Das liegt noch in Berlin, aber irgendwie auch wieder nicht. Wenn wir früher nach Mitte fuhren – weiter ging’s ja nicht –, sagten wir: »Wir fahren in die Stadt.«
    Auf dem S-Bahnhof Berlin-Friedrichstraße hatten meine Eltern gestanden und überlegt: Ost oder West? Das war 1962, kurz nach dem Mauerbau. Meine Schwester fünf und ich drei Jahre alt. Mein Vater hatte nach Wanderjahren in der DDR -Provinz 1960 endlich ein Engagement am Deutschen Theater in Berlin bekommen, bei Wolfgang Langhoff, der das Konzentrationslager überlebt und als Intendant das Theater übernommen hatte. Meine Eltern entschieden sich für den Osten, wofür sie sich noch Jahre später bei uns Kindern entschuldigten. Die Haußmanns und die DDR  – das war von Anfang an keine sehr glückliche Beziehung.
    Hirschgarten ist eine Wohnsiedlung mit flachen Mietshäusern. Es ist nicht weit bis nach Friedrichshagen, wo das Seebad ist. Und der fiese Fünfmeterturm. Friedrichshagen liegt am Müggelsee. Das ist der unpopulärere See in Berlin. Obwohl er im Vergleich besser dasteht als der Wannsee: größer, schöner und umsäumt von Bergen, den Müggelbergen. Dort steht noch ein Turm. Der Müggelturm.
    Der Müggelsee hat kein Lied. Das ist seine Tragik. Niemand packt die Badehose ein und nimmt sein kleines Schwesterlein. Deshalb ist Friedrichshagen auch weltweit unbekannt. Aber in Friedrichshagen war einiges los. Nicht nur, weil ich damals einen Teil meiner Jugend dort verbrachte, aber auch. Heute lebe ich wieder dort.
     
    Kurz vor seinem Tod erzählte mein Vater folgende Geschichte. Sie trug sich im Allgäu zu, in einem kleinen Dorf am Fuße der Alpen. Es war kurz vor Kriegsende, mein Vater war zehn Jahre alt. Nachdem sie erfahren hatten, dass Adolf Hitler nicht mehr lebt, beschlossen er und zwei seiner Kumpel sich umzubringen. Sie gingen zum Bach des Dorfes, dorthin, wo er am wildesten und tiefsten war, zählten wie verabredet bis drei und sprangen von der Brücke.
    Doch mein Vater sprang nicht. Er rannte nach Hause. Während die anderen für immer verschwanden und nie wieder auftauchten.
    Warum er diese Geschichte erst so spät erzählte, und so beiläufig, als würde er einen verschollenen Socken in den Wäscheschrank sortieren, weiß ich nicht. Vielleicht deshalb, weil er sie für eine ganz persönliche Niederlage hielt, vielleicht auch, weil er nicht wollte, dass wir ihm diesen Unsinn ausredeten.
     
    Mein Vater hatte sich eine Google-Earth-Ansicht seines Dorfes an den Schrank gepinnt. Er hatte es mit Kugelschreiber umrandet, ein kleiner Pfeil zeigte auf das Elternhaus seines Vaters. Dort stand irgendwann mal »Haußmanns Blockhütte«, ein Wirtshaus, das meine Großeltern Anfang der Fünfzigerjahre führten. Natürlich in den Bankrott. Meine Großmutter, hieß es, sei ihr bester Gast gewesen, vor allem, nachdem die Schnellstraße, von der die Kneipe lebte, zugemacht hatte. Sie war ein geselliger Mensch, aber weder effektiv noch geschäftstüchtig.
    Eine ihrer Lieblingsgeschichten aus dieser Zeit war die von dem Pfarrer, der fremdging. Er kam jeden Donnerstag mit seiner Geliebten in »Haußmanns Blockhütte« und trank dort mit ihr immer den gleichen Rotwein. So ging das vielleicht zwei Jahre. Eines Tages nahm der Pfarrer meine Großmutter beiseite: »Morgen werde ich mit meiner Frau kommen und ich möchte Sie bitten, sich nichts anmerken zu lassen, um nicht zu sagen, liebe Frau Haußmann, ich war nie hier, Sie haben mich sozusagen nie gesehen.«
    Meine Großmutter, von ganzem Herzen Romantikerin, beruhigte den Pfarrer, und so kam dieser am nächsten Tag mit seiner Frau in »Haußmanns Blockhütte«. Meine Großmutter ließ sich nichts anmerken, mit großer Begeisterung spielte sie die, die den Pfarrer nicht kennt, nahm der Dame den Mantel ab, führte das Pärchen zum Tisch und fremdelte in richtigem Maß. Erst nahm sie die Bestellung der Gattin des Pfarrers auf und dann die des Pfarrers. »Was darf ich Ihnen bringen, Herr Pfarrer?« Darauf dieser: »Das Übliche, Frau Haußmann.«
    Oder war es so, dass meine Großmutter zum Pfarrer sagte: »Das Übliche, Herr Pfarrer?« Und dass sie uns mit dieser Geschichte erzählen wollte, wie schlecht sie lügen konnte? Ich weiß es nicht mehr, aber Letzteres sähe meiner Großmutter ähnlicher.
     
    Wir waren eine komische Familie, zumindest

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