Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
ich dem neuen Arsch nach.«
»Aha«, sagt der Psychologe und nickt. Er kritzelt etwas auf die Seite, irgendwas mit Arsch. »So erzählen Sie Ihre Geschichten?«, fragt er.
»Keine Ahnung«, sage ich, »jedenfalls saß, während vorne im Laden meiner Schwester Kunden lustlos die Ware begrabbelten, Iris meist im hinteren Teil des Ladens und trank Piccolo der Marke M&M mit den Kollegen ihres Mannes, der inzwischen Versicherungsvertreter bei der Allianz war. Einmal, als ich da war, ging es gerade um das Thema Kindheit.«
Mein Psychologe setzt sich aufrecht, wie ein Wolf, der Witterung aufnimmt.
»Der eine, der Dario, war von Margot Honecker in ein Waisenhaus gesteckt worden, weil seine Mutter einen Mauerdurchbruch versucht hatte, das war in den Sechzigern. Dort wurde er mit sechs Jahren vor den anderen Kindern öffentlich gewindelt, wenn er sich in die Hose gemacht hatte. Seine Geschwister wurden nach und nach wieder zurück nach Hause geschickt, zum Schicht arbeitenden Vater. Dario wartete jeden Tag bis zum Abend vor dem Heim Makarenko in Karlshorst, aber niemand kam. Als er acht war, wurde er von seinem Vater abgeholt und täglich verprügelt. Ein anderer in der Runde verwahrloste, weil seine Eltern jeden Tag besoffen waren, schon um acht Uhr früh. Er machte sich seine Frühstücksstullen selbst, ging morgens in die Schule und versorgte nachmittags seine Eltern.«
Die Tür geht auf, der Holländer stolpert herein, bleich, zitternd und wütend.
»Wir klopfen immer noch an, Herr van Seefeld, auch wenn es dringend ist, ich habe hier gerade einen Patienten, das ist hier doch kein …« Dem Psychologen fällt nicht ein, was wir hier nicht sind, braucht es auch nicht, denn Herr van Seefeld hat die Tür bereits wieder geschlossen.
Ich nehme den Faden wieder auf. »Das ging so reihum, jeder hatte wenigstens eine Horrorgeschichte aus seiner Kindheit zu erzählen.«
Der Psychologe runzelt die Stirn und notiert sich wieder etwas in sein Ringbuch. Diesmal ist es ein längerer Text. Ich warte, er schreibt und schaut mich nicht an.
»Was ich schlussendlich damit sagen will, ist, dass ich kaum einen Menschen kenne, der keine schreckliche Kindheit hatte.«
»Na, na!«, sagt der Psychologe und schmunzelt, während er weiter an seinem Text arbeitet, ohne aufzublicken. Er schreibt, das kann ich sehen, in einer makellosen Streberhandschrift. Er lässt sich Zeit. Ich hasse ihn.
»Wenigstens doch keine perfekte oder makellos glückliche Kindheit«, sage ich.
»Und was hat das mit Ihnen zu tun?«, fragt er mit einem kurzen Blick auf seine Uhr.
»Es beruhigt mich.«
»Es beruhigt sie, wenn andere leiden?«
»Das habe ich nicht gemeint. Ich weiß nicht einmal, ob Leid hier gerade unser Thema ist. Aber wenn Sie meinen, dass für mich die Tatsache beruhigend ist, dass es Leute auf dieser Welt gibt, die ebenfalls ihr Päckchen zu tragen haben, dann muss ich Ihnen recht geben.«
»Das ist interessant«, sagt der Psychologe, und ich habe das Gefühl, in eine Falle gerannt zu sein, die ich mir selbst gestellt habe. »Warum müssen Sie sich denn überhaupt beruhigen?«
»Weil meine Kindheit alles andere als perfekt war, aber …«, ich erhebe den Zeigefinger, »… das heißt nicht, dass ich unter ihr leide. Ich weiß, dass ich das nicht wirklich einschätzen kann, weil es ja dafür Leute wie Sie gibt, die das studiert haben. Aber in meinem Fall ist es so, dass ich einen guten Verdrängungsmechanismus habe, der mir hilft, mit den Dingen klarzukommen, denn deshalb hat uns Gott oder Mutter Natur dieses Geschenk ja gemacht.
Ich will damit nicht sagen, dass meine Kindheit furchtbar war, im Gegenteil, sie war schön, weil wir ja geliebt wurden und weil wir sehen konnten, wie sich unsere Eltern mit dem Alltag des Künstler- und Elterndaseins, den Selbstzweifeln und den Sanktionen durch den Staat, der Aufbruchsstimmung der Sechziger und diesem ganzen Wahnsinn abmühten. Auch mit dem Widerspruch zwischen Privatem und Öffentlichem, dem Schauspielerberuf, der ja von einem gewissen Maß von Opportunismus abhängig ist, zu dem mein Vater überhaupt keine Begabung zeigte.«
»Kommen wir noch einmal auf die Straße zurück«, sagt der Psychologe, »wo Sie diese Person verfolgen, die Sie nicht aus den Augen lassen dürfen, auf die Sie sich am Ende aber doch nicht konzentrieren.«
»Ja«, sage ich, »ich habe dem nichts hinzufügen, das ist die ganze Geschichte.«
»Ich hätte da aber noch eine Frage. Wer ist diese Person, die Sie
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