Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
und mit den Menschen, die darunter zu leiden hatten. Sein Thema ist der Alltag der kleinen Leute. Er selbst, der ja in der DDR auch Repressalien und Verfolgung zu erdulden hatte, macht daraus keine große Sache, so wie andere Leute. Und deshalb ist sein Werk auch nicht durchdrungen von Sentimentalität und Weinerlichkeit, sondern strotzt vor Lebensfreude und Optimismus. Ich finde, es wird Zeit, dass Leander Haußmanns Eloquenz und sein Mut, er selbst zu bleiben, endlich Würdigung erfährt … Sollen wir noch erwähnen, dass viele Filme über den Osten erst durch mich möglich wurden?«
»Ist doch sehr gut so«, sagt Steffi. »Und was jetzt?«
»Jetzt schmeißen wir das Ganze in den Papierkorb«, sage ich.
»Gut«, sagt Steffi.
Nachdem das erledigt ist, sage ich: »Schau mal«, und ziehe ein Stück Papier hervor.
»Was ist das?«, fragt Steffi.
»Das ist mein Nachruf. Ich möchte, dass du den aufbewahrst.«
»Wie kommst du darauf, dass du vor mir stirbst?«
»Das weiß ich nicht, aber ich habe ihn ja auch noch anderen gegeben.«
»Und was soll ich dann damit machen?«
»Den spielst du dann den Medien zu. Der Tagesschau zum Beispiel.«
»Gut«, sagt Steffi.
»Steffi«, sage ich, »könntest du’s jetzt mal vorlesen? Und könntest du das bitte in dem Ton einer Tagesschau -Sprecherin tun? Wie Will, Slomka oder wie die alle heißen.«
»Also sachlich, objektiv und ohne Emotion?«, fragt Steffi. »Und warum?«
»Warum was?«
»Warum soll ich das jetzt vorlesen?«
»Damit ich höre, wie es klingt.«
Steffi ist unwillig, aber sie tut es. Für mich, wie sie sagt: »Nach Druckerlehre und Armeezeit wurde Leander Haußmann von 1982–1986 auf der Schauspielschule Ernst Busch zum Schauspieler ausgebildet. Er galt in den Jahren 1986–88 während seines Engagements am Stadttheater Gera als hoffnungsvolles Nachwuchstalent in dem Rollenfach Jugendlicher Liebhaber, bis er die Stadt aufgrund einer politischen Aktion, mit der er gegen die Entlassung seines Schauspielkollegen Uwe Dag Berlin demonstriert hatte, verließ. Auch Parchim, wo er 1988 ›Hedda Gabler‹ und ›Kap der Unruhe‹ (in Koregie mit Uwe Dag Berlin) inszenierte, musste er wegen letzterer und einer massiven Verbalattacke gegen die Parchimer Parteibezirksleitung nach einer fristlosen Kündigung über Nacht verlassen. Seine größten Erfolge feierte L. H. mit den Stücken ›Nora‹ (zum Theatertreffen eingeladen), ›Romeo und Julia‹ (zum Theatertreffen eingeladen) und ›Sommernachtstraum‹ (zum Theatertreffen eingeladen) und ›John Gabriel Borkman‹ (zum Theatertreffen eingeladen). Leander Haußmann war der bedeutendste junge Regisseur Deutschlands in den Neunzigern. 1995 wurde er zum Intendanten am Schauspielhaus Bochum berufen, wo seine Arbeit bereits mehr als umstritten war und am Ende dann als erfolglos galt. Später feierte er dann noch mal Erfolge als Filmregisseur, unter anderem mit Filmen wie ›Sonnenallee‹, ›Herr Lehmann‹ und ›Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken können‹, bis er dann mit ›Hotel Lux‹ ein Desaster erlebte, von dem er sich nie mehr erholte. Dieser Film wurde nach fünfzehn Jahren wiederentdeckt, erlebte eine Neuverwertung in den Kinos, wo er sich mit hohen Zuschauerzahlen endgültig rehabilitierte … Aber das ist doch viel zu lang für die Tagesschau«, unterbricht sich Steffi.
»Jetzt lass doch mal«, sage ich.
»In seinen letzten Lebensjahren zog Leander Haußmann die Einsamkeit der Geselligkeit vor. Sein Ziel war es, vergessen zu werden. Er starb kurz vor Vollendung seines 63. Lebensjahrs … jetzt hör aber mal auf, dein 63. Lebensjahr«, und während Steffi weiterliest, schüttelt sie unaufhörlich den Kopf, »… er starb an, wie es hieß, gebrochenem Herzen in einer Anstalt für gescheiterte Existenzen, die geglaubt hatten, ihr Talent sei ein unerschöpfliches Bergwerk an Möglichkeiten … Und was soll ich jetzt damit machen?«, fragt Steffi.
»Na, du sollst es aufheben.«
»Aber warum?«
»Hab ich dir doch gerade gesagt.«
Wir sitzen in ihrem Haus in Mecklenburg-Vorpommern an einem kleinen Holztischchen und schauen hinaus auf die sturmgeplagten Felder. Der Regen schlägt gegen die Scheibe, Tropfen, die so dick sind, dass man das Gefühl bekommt, es werfe jemand Schneebeeren dagegen, also Knallerbsen, die wir als Kinder immer auf dem Boden zertreten haben.
»Und das soll ich jetzt aufheben, oder was?«, fragt Steffi.
»Ich will Maler werden«, sage
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