Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
unterzubringen, jetzt, wo ich zwölf Millionen Euro in den Sand gesetzt habe mit Lux.«
Herman Weigel lacht sein wahnsinnig lautes, offenes, ein bisschen irres Lachen. »Hahaha, das ist doch nicht nicht direkt!«
»Stimmt«, sage ich.
»Aber, by the way, ich kann mich überhaupt nicht an das Gespräch erinnern.«
»Es ging um die Verfilmung der Komödie ›Männerhort‹.«
»Ja, aber was ist jetzt dein Problem?«
»Ich wollte nur fragen, ob das stimmt, also, ob ich da richtig gehört habe, dass ich auf der schwarzen Liste stehe.«
»Auf der schwarzen Liste? Auf welcher schwarzen Liste?«
»Das sagen immer alle, die eine schwarze Liste führen. Weil so was ist natürlich nicht offiziell.«
»Bei der Constantin gibt es keine schwarzen Listen!«
»Hör doch auf«, sage ich, »ich kenne mich doch aus, mein Vater stand jahrelang auf einer solchen.«
»Wo?«
»Bei der DEFA zum Beispiel.«
»Hör auf«, sagt Herman Weigel, »ihr Ossis müsst endlich mal zur Kenntnis nehmen, dass es die DDR nicht mehr gibt.«
»Ich frage ja auch nur deshalb, ob du damals, natürlich nur als Bote, also als Überbringer der schlechten Nachrichten, das so gesagt hast, wie ich es erinnere.«
»Noch mal, Leander«, sagt Herman Weigel, »ich kann mich nicht daran erinnern, aber wenn ich es gesagt habe, dann ganz sicher nicht indirekt, sondern sehr direkt.«
»Ich frage ja auch nur, weil wir ja jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach wieder zusammenarbeiten werden.«
»Ja, und? Was ist dann dein Problem?«
»Na ja«, sage ich, »vielleicht bin ich etwas ängstlich.«
»Das glaube ich nicht, dass du ängstlich bist«, sagt Herman. »Ich glaube, du hast Angst.«
Mit der Filmerei ist es ja so: Am Anfang ist Euphorie. Sie wird verkörpert durch den Regisseur, der im Fall von »Hotel Lux« auch der Autor ist. Wenn alles gut geht, gelingt es, immer mehr Leute mit dieser Euphorie anzustecken: Produzent, Förderung, private Investoren, Team, Schauspieler. Wenn es noch besser läuft, steigert sich die Euphorie ins Unermessliche und wird zum Treibstoff, mit dem die Rakete gezündet wird.
Das ist der Moment, meistens zur Hälfte der Dreharbeiten, ab dem der Regisseur sein Euphorie-Potenzial sparsamer zu verwenden beginnt. Er wird geradezu geizig mit der Euphorie. Er schmeißt damit jedenfalls nicht mehr so um sich wie zu der Zeit, in der es noch ums Anstecken ging. Er hütet sich davor, hoffärtig oder hochmütig oder gar optimistisch zu werden. Müdigkeit kommt über ihn, manchmal träumt er von seinem Sehnsuchtsort: Wiese mit gelben Gänseblümchen, heiterer Himmel, leichte Brise, Drachensteigen und so. Aber er arbeitet weiter, er ackert, er schwitzt, und manchmal, aber nur wenn es keiner sieht, weint er.
Um ihn herum allgemeines Schulterklopfen. Die Filmmuster sind je nachdem geil oder super oder total lustig oder, wenn man es denn braucht, so emotional, dass diesem Kollegen oder jener Kollegin schon mal die Tränen gekommen sind.
Übrigens: Inge Meysel soll einmal zu einem Regisseur gesagt haben: »Sagen Sie mal, junger Mann, wenn die Muster immer so toll sind, warum sind dann die Filme immer so beschissen?« Wir reden also von dem Moment, an dem alles verflogen ist: die Euphorie und vor allem die damit verbundene gute Laune. Die meisten arbeiten schon an anderen Filmen, im Schneideraum wird es einsam. Die schlechte Laune beginnt spätestens nach der Sichtung des ersten Rohschnitts mit einem langen Schweigen der Produzenten und hält sich über die Abnahme des Films bis hin zur Premiere. Wenn die Arbeit beendet ist, sind in der Regel fünf Jahre Lebenszeit verflossen. Nach fünf Jahren nichts anderes als schlechte Laune, schlechte Zuschauerzahlen, schlechter Regisseur. Das muss man aushalten.
Ich übertreibe natürlich.
Mit dem Theatermachen ist es nicht viel anders. Ich sage das deswegen, weil man mich so oft nach den Unterschieden fragt.
Die Generalprobe zur »Fledermaus«. Sie war ausverkauft. Das bayerische Staatsorchester hat frisch aufgespielt, die Sänger haben gut gesungen, auch wenn sie sich noch etwas aufgespart haben für die Premiere. Zwar gab es ein kleines, vereinzeltes Buh, das kam aber nicht von den Zuschauern, sondern aus dem Orchestergraben. Peter Jonas, noch nicht von der englischen Königin zum Sir geadelt, wie einige Jahre später, klopft mir auf die Schulter, Daumen hoch: »Leander, jederzeit bei mir wieder, keine Frage.«
Premiere der »Fledermaus«. Mitten unter den sich prügelnden Premierengästen
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