Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
erfuhr.
    Nachdenklich legte er sein Handy auf den Tisch. Er hatte schon
zweimal versucht, Erlend an diesem Abend zu erreichen. Doch offenbar war sie im
Krankenhaus bei ihrer Mutter und hatte ihr Handy abgestellt. Wahrscheinlich
ging sie ohnehin davon aus, dass er sein Dasein als Strohwitwer genoss. Sie
ahnte wohl nicht, wie groß sein Bedürfnis war, ihre Stimme zu hören.
    Wenn er ein weiteres Mal versuchte, sie zu erreichen, sähe das
womöglich nach Telefonterror aus. Elli würde denken, etwas wäre passiert. Ein
Unfall oder noch Ernsteres. Vielleicht könnte er das Handy so einstellen, dass
die Nummer unterdrückt würde …
    »Ich würde nicht zu oft bei ihr anrufen.« Jamaine war aufgetaucht
und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Das könnte falsch
rüberkommen. Du willst doch bei euch die Hosen anbehalten, oder?«
    Hambrock betrachtete ihn erstaunt. Er hatte schon mehrmals den
Eindruck gehabt, Jamaine könne seine Gedanken lesen. Da waren immer wieder
diese seltsamen Momente, in denen der Barkeeper eine Bemerkung zu etwas machte,
das Hambrock gerade durch den Kopf gegangen war. Auch wenn es sicher Zufälle
waren, hinterließen sie einen sonderbaren Nachgeschmack.
    »Vielleicht genießt sie es gerade, frei und ungebunden zu sein«,
fuhr Jamaine fort. »So wie du letzte Woche. Da warst du froh, mal eine Pause
von deiner Alten zu haben.«
    »Sie heißt Erlend«, sagte er und ließ das Handy in seine
Manteltasche gleiten.
    Jamaine wechselte das Thema. »Ermittelst du eigentlich in dem Fall
des toten Wachmanns?«
    Hambrock war überrascht. »Wenn du den Todesfall in der Halle
Münsterland meinst, dann: ja. Was weißt du darüber?«
    Der Tote hatte eine Zeit lang mit Drogen gehandelt, das ging aus
seinem Vorstrafenregister hervor. Gut möglich, dass Jamaine ihn daher kannte.
    Doch der hob die Schultern und setzte sein Pokerface auf. »Nichts.
Eigentlich gar nichts. Nur was man so hört.«
    Hambrock seufzte. Natürlich würde Jamaine ihm sagen, was er wusste.
Das tat er immer. Aber dem ging ein Ritual voran, das nicht einfach
übersprungen werden konnte. Also fügte sich Hambrock in seine Rolle und gab den
Fernsehpolizisten.
    »Es geht um eine polizeiliche Ermittlung«, sagte er mit aufgesetzter
Kühle. »Besser, du sagst, was du weißt, mein Freund. Das ist mein absoluter Ernst.«
    Jamaine verdrehte die Augen. »Ich wusste ja, dass du gleich wieder
förmlich wirst.«
    »Jamaine!«
    »Am besten hätte ich gar nicht damit angefangen.«
    »Bei aller Freundschaft, aber ich lasse dich vorladen, wenn du dich
jetzt zierst. Sag mir, was du weißt, oder wir ziehen andere Saiten auf.«
    Das reichte offenbar als Vorspiel. Jamaine lächelte zufrieden, dann
beugte er sich vor und sagte vertraulich: »Also gut. Der Typ wollte sich
absetzen. Das ist schon alles.«
    »Absetzen?«
    »Na ja, nach La Gomera oder so. Ist ja auch egal. Wichtig ist nur:
Dafür brauchst du Startkapital, sonst wird das nichts. Also geh ich mal davon
aus, der hatte irgendein Ding am Laufen. In seinem Job zahlen die kaum mehr als
die Mindestlöhne.«
    »Und was war das für ein Ding? Weißt du das auch?«
    Jamaine hob die Schultern und blickte Hambrock mit großen Augen an.
Ein unschuldiges Kind, das kein Wässerchen trüben konnte.
    »Du weißt, ich verkehre in dieser Szene nicht mehr. Ein Wunder, dass
mir so etwas überhaupt noch zu Ohren kommt. Aber Einzelheiten erfahre ich da
nicht mehr.«
    »Wer hat dir das Ganze denn erzählt?«
    »Irgendwer von meinen Gästen. Keine Ahnung, wer das war. Ich hab das
nur aufgeschnappt. Du weißt ja, wie das ist. Und jetzt muss ich wieder hinter
die Theke. Du siehst ja, was hier los ist. Wie sieht’s aus? Noch ein Bier?«
    »Nein, lass mal. Ich komme ein andermal wieder, wenn es ruhiger
ist.«
    Hambrock zahlte und verließ die lärmende Kneipe. Draußen empfing ihn
kühle Herbstluft. Er atmete tief durch. Blieb nur noch der Weg nach Hause.
    Kurz überlegte er, stattdessen zur Wohnung des Toten aus der
Kongresshalle zu gehen. Sie war nur ein paar Hundert Meter entfernt. Aber was
gäbe es dort schon zu sehen? Gar nichts. Leg dich ins Bett und schalte den Fernseher
ein, sagte er sich. Mit ein bisschen Whiskey lässt sich die Einsamkeit schon
ertragen.

4
    Im Sekretariat des Anne-Frank-Gymnasiums herrschte an
diesem frühen Montagmorgen absolute Ruhe. Die Flure waren wie leer gefegt, der
Unterricht hatte bereits angefangen, und auch im Lehrerzimmer war keine
Menschenseele. Brigitte Wasner, der

Weitere Kostenlose Bücher