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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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sichtbar
platziert. Sie wirkten ein bisschen wie Raumschiffe, als wären hier
Außerirdische stationiert, die über eine menschenleere Welt wachten.
    Hambrock stieg aus seinem Dienstwagen und schloss die Tür. Ein
kühler Windstoß erfasste ihn. Mit hochgezogenen Schultern ging er auf einen der
Streifenwagen zu. Auf der Beifahrerseite wurde das Fenster heruntergekurbelt.
Ein bärtiger Schutzpolizist, der kurz vor der Pensionierung stehen musste, betrachtete
ihn mit gerunzelter Stirn. Hambrock wies sich aus und deutete auf das Schulgebäude.
    »Alles ruhig geblieben?«
    Der Schutzpolizist brummte. »Hier hat sich keiner blicken lassen.
Ich schätze mal: Das war’s für heute.«
    »Hoffentlich haben Sie recht.«
    »Die Kollegen der Kreispolizeibehörde sind jedenfalls drinnen im
Lehrerzimmer.« Er deutete auf den Haupteingang. »Gleich wenn Sie reinkommen,
links den Gang runter.«
    Hambrock bedankte sich und betrat das Gebäude. Zu seiner
Überraschung traf er auf eine Hand voll Schüler, die in der Aula
beisammenstanden, zwei Lehrerinnen in ihrer Mitte, die mit gedämpften Stimmen
auf sie einsprachen.
    Er fand das Lehrerzimmer am Ende des Korridors. Die Tür stand halb
offen, aus dem Innern drangen leise Gesprächsfetzen. Ein wuchtiger Tisch, der
Platz für mehr als zwei Dutzend Menschen bot, dominierte den Raum. Ein kleines
Grüppchen hatte sich niedergelassen. Ein älterer rotgesichtiger Beamter, der
Hambrock vage bekannt vorkam und sicherlich der Dienststellenleiter der
Nottulner Wache war. Daneben eine kleine Frau, die ihren dürren Körper in
wallende Wollkleider gewickelt hatte und deren wache Augen sich blitzschnell
hin und her bewegten: die Rektorin des Gymnasiums, Frau Rössler-Sahlkamp. Und
schließlich ein hochgewachsener Mann mit markanten Gesichtszügen und einer
riesigen Nase, der Hambrock als Erster bemerkte und ihm mit ausgestreckter Hand
entgegenlief.
    »Bernhard Hambrock! Schön, Sie zu sehen. Wir haben schon auf Sie
gewartet.«
    Der Mann arbeitete in der Coesfelder Polizeibehörde, früher mal in
der Abteilung für Kriminalitätsbekämpfung. Nur sein Name fiel Hambrock nicht
mehr ein. Es war …
    »Gregor Suhrkötter.«
    »Weiß ich doch«, sagte Hambrock. »Lange nicht gesehen.«
    »Stimmt. Ich habe die Abteilung gewechselt. Ich war im Arbeitskreis
Amok und zielgerichtete Gewalt, Sie erinnern sich vielleicht, und seitdem bin
ich so was wie der Ansprechpartner für Schulen.«
    Er stellte den anderen Hambrock vor. Der kam sofort zur Sache. »Wo
ist der junge Mann, der fälschlicherweise für den Amokläufer gehalten wurde?«
    »In der Schulkantine«, sagte Suhrkötter. »Er holt sich einen Kaffee.
Sie können gleich mit ihm sprechen, wenn Sie möchten.«
    »Es war definitiv ein Missverständnis?«
    »Ja«, sagte die Rektorin. »Das ist ein ehemaliger Schüler, der sich
eine Zeugniskopie beglaubigen lassen wollte. Für eine Bewerbung. Da hatte die
Sekretärin gerade die Amokdrohung bekommen. Zu allem Überfluss war er auch noch
ganz in Schwarz gekleidet. Da ist die Frau durchgedreht. Wer kann es ihr
verübeln?«
    Hambrock nickte. »Wie geht es ihr jetzt?«
    »Sie ist im Krankenhaus«, sagte die Rektorin. »Steht noch unter
Schock. Sie soll zur Beobachtung erst mal dableiben.«
    »Nach diesem Zwischenfall ist nichts mehr passiert«, sagte
Suhrkötter. »Ein paar Kollegen sprechen mit den Lehrern, um herauszufinden,
welche Schüler für so eine Amokdrohung infrage kommen. Als Nächstes werden wir
an die herantreten.«
    »Wir beachten die Warnsignale«, ging die Rektorin dazwischen, als
müsse sie sich verteidigen. »Das ist regelmäßig Thema bei unseren Lehrerkonferenzen.
Wir nehmen das alles sehr ernst, nicht nur wegen Emsdetten.«
    »Natürlich.« Suhrkötter räusperte sich. »Ich möchte nicht vorschnell
urteilen. Wir sind ja auch noch dabei, die Lage zu bewerten, aber im Moment
deutet alles auf einen falschen Alarm hin.«
    Was, wie Hambrock wusste, bei fast hundert Prozent aller
Amokdrohungen in Schulen der Fall war. Die pubertierenden Jungen hatten Wut im
Bauch, wie in jeder Generation, und wer einmal gesehen hatte, welchen Aufruhr
eine Amokdrohung überall auslöste, für den war es ein großer Reiz, selbst
einmal zum Telefonhörer zu greifen. Womit sonst ließ sich in einer liberalen
Gesellschaft so eine Reaktion provozieren?
    »In der Aula habe ich ein paar Schüler gesehen«, sagte Hambrock.
»Wie viele befinden sich noch im Gebäude?«
    »Zwei Dutzend etwa«, sagte die Rektorin. »Es sind

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