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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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nicht alle nach
Hause gegangen. Ich habe es den Kindern freigestellt zu gehen. Ein paar wollten
lieber hierbleiben. Das Lehrpersonal kümmert sich um sie.«
    »Wo werden die Befragungen durchgeführt?«
    »In der Schulkantine.« Suhrkötter erhob sich und nahm seine
Aktentasche. »Wir können gleich rübergehen.«
    »Ich hoffe, Sie haben Appetit mitgebracht«, sagte die Rektorin. »Es
wurde gerade Essen für hundertachtzig Schüler geliefert. Wir konnten es nicht
mehr abbestellen, dazu war es zu spät. Sie können also alle kräftig zulangen!«
    Zu Hambrocks Überraschung war das Schulessen wesentlich besser, als
er geglaubt hatte. Wer immer das Catering machte, die Kollegen aus der
Polizeikantine konnten sich eine dicke Scheibe davon abschneiden. Die Kinder
lebten wirklich nicht schlecht an diesem Gymnasium.
    Nach dem Essen führte die Rektorin ihn durch die Schule. Sie zeigte
ihm die Unterrichtsräume und erläuterte die Notfallpläne für Amokläufe, die sie
an der Schule vorschriftsgemäß eingeführt hatte. Schließlich kehrten sie um,
und sie beendete ihren Vortrag mit einem tiefen Seufzer.
    »Das alles ist für uns ein schwieriges Thema, wissen Sie. Die Kinder
überhaupt erst unter Verdacht zu stellen … Ich weiß nicht. Wo soll das denn
hinführen?«
    »Nach allem, was passiert ist, bleibt uns wohl nichts anderes
übrig«, sagte Hambrock. »Das schnelle Eingreifen in Emsdetten hat gezeigt, wie
wichtig es ist, auf alles vorbereitet zu sein.«
    »Natürlich. Sie haben ja recht. Und ich weiß auch, nach welchen
Warnsignalen wir Ausschau halten müssen.« Sie zählte es an den Fingern ab.
»Ausdruck gewalttätiger Phantasien, Faszination durch Waffen, depressive
Symptome und so weiter und so weiter. Es gibt immer Jugendliche, die in dieses
Schema passen. Trotzdem. Etwas in mir weigert sich, in meiner Schule nach
Massenmördern Ausschau zu halten, als wäre es das Natürlichste auf der Welt.
Können Sie das nachvollziehen?«
    Hambrock konnte das nur zu gut verstehen. »Wir können die Welt nicht
verändern, das liegt nicht in unserer Hand. Aber wir müssen versuchen, mit der
Welt umzugehen, wie sie nun einmal ist.«
    Als sie an der Aula vorbeikamen, stellte Hambrock fest, dass die
Schüler inzwischen verschwunden waren. Nur eine einzelne Gestalt hockte auf
einem Tisch an der Fensterfront. Ein seltsamer Geruch stieg ihm in die Nase. Er
blickte sich um und schnüffelte.
    »Was stinkt denn so?«
    Die Rektorin verschränkte resigniert die Arme. »Das ist
Buttersäure.«
    »Buttersäure?«
    »Ganz recht. Der gründlich misslungene Scherz von ein paar
Schülerinnen, die einem Mädchen Buttersäure in den Schulranzen gekippt haben.
Eine unglaubliche Sauerei.«
    »Ein Scherz?«
    Sie seufzte. »Nein. Wohl eher Mobbing. Wir versuchen das zu
unterbinden. Aber das ist nicht einfach. Es läuft sehr subtil.«
    Hambrock betrachtete die Gestalt, die verloren durchs Fenster sah.
Eine dunkle Silhouette, dahinter leuchtete der helle Herbsttag.
    »Ist sie das Opfer?«
    Die Rektorin nickte. »Adelheid Huesmann«, sagte sie leise. »Eine
Bauerntochter aus Brook. Sie ist anders als die anderen. Ihre Eltern … Nun ja,
sie bewirtschaften einen kleinen Hof, der kaum etwas abwirft. Sie haben den
Anschluss verloren, die ganzen Modernisierungswellen in der Landwirtschaft. Es
wundert mich, dass der Hof überhaupt noch existiert. Und das Mädchen ist … nun
ja, es lebt sehr zurückgezogen.«
    Ein junger Mann tauchte auf. »Frau Rössler-Sahlkamp? Telefon. Es ist
dringend.«
    Die Rektorin schenkte Hambrock ein entschuldigendes Lächeln.
    »Gehen Sie ruhig«, sagte der. »Wir sehen uns nachher.«
    »Danke. Bis später.« Sie verschwand in Richtung Lehrerzimmer.
    Hambrock ging auf die junge Frau am Fenster der Aula zu. Sie war
höchstens achtzehn, sah aber wesentlich älter aus, beinahe wie eine Greisin.
Die Augen lagen tief in den Höhlen, ihre Haut war blass, und die strohigen
Haare standen in alle Richtungen ab. Sie hockte breitbeinig auf dem Tisch, eine
Haltung, die sie sich bei den coolen Jungs abgesehen hatte. Als wollte sie
sagen: Ihr seid mir alle egal. Doch das war nur eine hauchdünne und zerbrechliche
Maske. Darunter lag für jeden sichtbar ihre Verletzbarkeit.
    Als sie Hambrock bemerkte, blickte sie sich um und fixierte ihn dann
mit zusammengekniffenen Augen.
    »Hallo.« Er lächelte. »Ich bin Bernhard Hambrock von der
Kriminalpolizei.«
    Ihr Blick war kaum einzuschätzen. Nicht feindselig, aber auch nicht
aufgeschlossen. Eher

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