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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Sekretärin, kam es vor, als wäre sie ganz
allein im Schulgebäude. Außer der tickenden Uhr in der Aula war nichts zu
hören.
    Sie mochte diese Stimmung. Es waren ihr die liebsten Momente der
Arbeitswoche. Am frühen Montagmorgen gehörte die Schule ihr ganz allein. Sie
kochte sich dann einen Tee, fuhr den Computer hoch, schaltete den Klassiksender
ein und rief ihre E-Mails ab. Keiner drängte sie, keiner wollte auf die
Schnelle etwas erledigt haben.
    Als das Telefon klingelte, rückte sie gedankenverloren ihr Haar
zurecht, legte ein Lächeln auf und nahm den Anruf mit freundlicher Stimme
entgegen.
    »Das Anne-Frank-Gymnasium, mein Name ist Wasner.«
    Die Stimme am anderen Ende war leise und drohend: »Heute ist es so
weit, du Schlampe. Ich habe eine Waffe, und ich werde euch töten. Ich hasse
euch alle. Heute ist der Tag meiner Rache.«
    Dann war die Leitung tot. Brigitte Wasner starrte das Telefon an.
Sekundenlang vergaß sie das Atmen. Panik erfasste sie. Ein Gefühl, als wäre sie
in eiskaltes Wasser gestoßen worden. Sie atmete durch und zwang sich zur Ruhe.
Dann griff sie zum Telefonhörer, drückte mit zitternder Hand die Gabel und
wählte den Notruf.
    Eine Frauenstimme meldete sich. »Polizeinotruf, mein Name ist Sabine
Meckmann.«
    »Hier ist das Sekretariat des Anne-Frank-Gymnasiums. Bei uns ist
eine Drohung eingegangen, ein Amokläufer … Gerade eben, per Telefon. Jemand
will …« Bilder von Toten und Verwundeten explodierten in ihrem Kopf. Vertraute
Menschen, die in wilder Angst über die Flure rannten. Schreie und
blutüberströmte Gesichter. Gegen ihren Willen hob sie ihre Stimme, die
plötzlich laut und hysterisch klang: »Er will uns alle töten! Er hat eine
Waffe!«
    »Bitte bleiben Sie ruhig. Das Wichtigste ist, Ruhe zu bewahren.
Sagen Sie mir, wann die Tat ausgeführt werden soll. Steht sie unmittelbar
bevor?«
    Die Stimme dieser Frau war so unerschütterlich, dass Brigitte Wasner
sich wieder beruhigte.
    »Er hat die Tat für heute angekündigt«, presste sie hervor. »Aber er
hat keine Uhrzeit genannt. Der Anruf ging eben erst ein, vor zwei Minuten.«
    »Womit wurde gedroht? Sie sagten etwas von einer Waffe. Wissen Sie
Konkretes?«
    »Nein. Er sagte nur, er habe eine Waffe. Mehr nicht.«
    »Also gut. Hören Sie zu: Die Einsatzkräfte sind unterwegs. In wenigen
Minuten wird die Polizei vor Ort sein. In Ihrer Schule gibt es doch ein
Notfallprogramm für Amokläufe, richtig?«
    »Ja, natürlich. Ich werde …«
    Da war ein Schatten im Augenwinkel. Brigitte Wasner wandte sich zum
Fenster. Gerade rechtzeitig, um eine schwarz gekleidete Gestalt im Eingang des
Schulgebäudes verschwinden zu sehen.
    »Er ist hier!«, schrie sie. »Der Mann! Er ist gerade in die Schule
eingedrungen!«
    »Bleiben Sie ruhig! Hören Sie? Sie müssen Ruhe bewahren.« Diese
Stimme. Als gäbe es nichts auf der ganzen Welt, das sich nicht durch ein wenig
Besonnenheit zum Guten wenden ließe. »Starten Sie das Notfallprogramm. Die
Einsatzkräfte sind unterwegs. Sie müssen jeden Moment bei Ihnen eintreffen.«
    Das Notfallprogramm. Brigitte Wasner versuchte sich zu konzentrieren,
aber ihre Gedanken sprangen wild und aufgescheucht herum. Sie musste die
Rektorin informieren, damit sie eine Lautsprecherdurchsage machen konnte. Sie
musste …
    Vor ihrer Tür ertönte ein Geräusch. Sie musste die Tür abschließen,
damit er nicht hereinkommen konnte. Nervös schnappte sie ihr Schlüsselbund,
doch es entglitt ihr und fiel zu Boden. Hektisch hob sie es wieder auf und
stolperte zur Tür.
    Die Klinke wurde nach unten gedrückt. Er will zu mir! Sie erstarrte.
Ich soll die Erste sein! Der letzte Rest der mühsam aufrechterhaltenen
Beherrschung fiel in sich zusammen. Die Luft blieb ihr weg, sie wankte zurück,
stieß gegen den Aktenschrank, zitterte am ganzen Körper.
    Dann flog die Tür auf, und vor ihr stand der schwarz gekleidete
Junge. Sie krallte sich an die Tür des Aktenschranks.
    »Du bist das!«, stieß sie hervor. »Du?«
    Es war bereits Viertel nach elf, als Hambrock das
Anne-Frank-Gymnasium erreichte. Der Schulhof war verwaist, eine unwirkliche
Ruhe lag über dem Gelände. Das Schulgebäude, ein hässlicher Kastenbau aus den
Siebzigern, umgeben von Kiefern und Sanddornbüschen, ragte vor ihm in den
Himmel. In den Fenstern und der Blechverkleidung der Turnhalle spiegelte sich
die Sonne.
    Auf dem Parkplatz stand ein Streifenwagen. Ein weiterer befand sich
auf der Auffahrt direkt vor dem Haupteingang. Beide waren gut

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