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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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dem man nur hoffen konnte, dass er zu
feige war, seine Phantasien in die Tat umzusetzen.
    Als sie den letzten seiner Beiträge aufrief, um ihn zu lesen,
passierte es dann: Der König von Brook ging online. Sein Name tauchte plötzlich
in der Liste der eingeloggten Forumsmitglieder auf. Marie stockte der Atem.
Erst wusste sie nicht, was sie tun sollte. Doch dann beschloss sie zu handeln.
Es war eine einmalige Chance.
    Sie meldete sich im Forum unter dem Spitznamen »Lady Marion« an und
wartete, bis sie freigeschaltet wurde. Dann klickte sie den König von Brook an,
um ihn zu einem privaten Chat einzuladen. Es dauerte nur Sekunden, ehe er die
Einladung annahm. Ein neues Fenster öffnete sich, und sie trat mit ihm in
Verbindung.
    könig_von_brook:
dear mylady, wir kennen uns noch nicht, oder?
    ladymarion:
nein. aber dein name hat mich neugierig gemacht. da
     wollte ich mehr erfahren.
    könig_von_brook:
über mein blaublütiges geschlecht?
    ladymarion:
eher über den namen deines königreichs.
    könig_von_brook:
brook ist ein fruchtbares land mit prachtvollen städten
     und großem Reichtum.
    ladymarion:
und liegt in der nähe von nottuln?
    Schweigen.
    könig_von_brook:
ich habe schon gehört, dass es diesen ort tatsächlich gibt. das ist aber
     zufall. ich habe mir den namen nur ausgedacht. kommst du etwa von dort, mylady?
    ladymarion:
ja. und du?
    könig_von_brook:
nein. sagte ich doch schon.
    ladymarion:
kennen wir uns vielleicht? wie alt bist du?
    könig_von_brook:
ich bin nicht aus brook.
    ladymarion:
warst du am anne-frank-gymnasium? vielleicht kennen wir
     uns von dort?
    könig_von_brook:
du spinnst.
    ladymarion:
wer bist du?
    Eine Weile passierte nichts. Dann verschwand der König von Brook aus
dem Chatroom. Marie hätte schwören können, dass er log. Dieser Typ war aus
Brook, der Name war kein Zufall. Sie musste unbedingt herausfinden, was es mit
dieser Sache auf sich hatte.
    Als Marie auf den Hof trat, begann es zu regnen. Schwere Tropfen
schlugen von allen Seiten auf sie ein. In der Dämmerung waren Regenwolken
heraufgezogen, die sich nun mit aller Macht entluden. Vom Wagen aus blickte sie
noch einmal hinauf zu Niklas’ Zimmerfenster. Die schweren Gardinen waren zugezogen,
nichts drang aus dieser klebrigsüßen Höhle heraus ans Licht. Sie startete den
Motor und fuhr vom Hof.
    Bei Nottuln nahm sie die Autobahnauffahrt in Richtung Münster und
erhöhte das Tempo. Der Regenschauer verwandelte sich zunehmend in einen
Wolkenbruch. Die Scheibenwischer flatterten über die Windschutzscheibe,
trotzdem verschwamm alles immer wieder für Sekundenbruchteile hinter einer
Regenwand. In Münster geriet sie dann in den Stadtverkehr, der sie endgültig
zwang, ihr Tempo zu drosseln. Ungeduldig bewegte sie sich in der Blechlawine
von Ampel zu Ampel, bis sie endlich das Wohnviertel hinterm Schloss erreicht
hatte, das Ziel ihrer Fahrt.
    Sie sprang aus dem Wagen und versuchte sich zu orientieren.
Innerhalb von Sekunden war sie völlig durchnässt. Doch sie hatte nur einen
Gedanken: Hoffentlich ist das Ganze hier nicht umsonst. Hoffentlich werde ich
nicht einfach weggeschickt.
    An einem heruntergekommenen Mietshaus drückte sie sich in den
Eingang. Auf dem Klingelbrett war kaum etwas zu erkennen. Verwitterte
Namensschilder, Klebezettel, hingeschmierte Nachnamen. Doch mittendrin fand sie
den Namen, den sie gesucht hatte: Benedikt Steinhauser.
    Sie drückte die Klingel. Kurz darauf wurde der Summer betätigt. Sie
stieß die Tür auf und trat in das düstere Treppenhaus.
    Ben und sie kannten sich von ihrer Zeit am Anne-Frank-Gymnasium. In
der Oberstufe hatten sie ein paar Kurse gemeinsam belegt. Es war zwar nie eine
Freundschaft daraus erwachsen, trotzdem wusste Marie, wo sie ihn finden konnte.
Jule hatte ihr mal erzählt, wo er wohnte. Es war ein stadtbekanntes Haus, das
früher mal von Autonomen besetzt gewesen war und heute vom Studentenwerk
verwaltet wurde.
    Im zweiten Stock öffnete sich eine Wohnungstür, und jemand streckte
den Kopf heraus. Es war Ben.
    »Marie? Bist du das?« Er wirkte völlig verdattert.
    »Hallo, Ben.« Sie erreichte schwer atmend das Stockwerk.
»Wahrscheinlich bin ich der letzte Mensch, den du erwartet hast, aber …« Sie
beschloss, sofort mit der Tür ins Haus zu fallen. »Du musst mir helfen!«
    »Dir helfen?«
    Sie blickte sich im Treppenhaus um, doch da war keiner, der sie
belauschen konnte. »Es tut mir leid, dass ich dich so überfalle. Wirklich. Aber
ich kenne sonst keinen, der mir helfen

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