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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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sie
an Niklas’ Verstärker angeschlossen hatte, und machte Musik. Sie hatte mit Pink
und Rihanna angefangen, doch mit dem steigenden Betrunkenheitsgrad änderte sich
auch die Musik. Zunächst hatte Lea noch Whitney Houston und Stevie Wonder
gespielt, doch inzwischen war sie bei Mireille Mathieu und Vicky Leandros gelandet.
    Deutscher Schlager, eigentlich grauenhaft. Aber Jule störte sich
nicht daran, im Gegenteil. Die Musik war ein bisschen wie der Kirschlikör: warm
und schwülstig und klebrigsüß. Irgendwie passte sie ganz gut zu dieser
spontanen Party. In dem aufgeheizten, stickigen Zimmer hatte Jonas sie zum
Tanzen aufgefordert, was bei der Enge eigentlich gar nicht möglich war. Doch zu
ihrer Verwunderung ging es dann irgendwie doch, trotz der vielen Kissen, Beine
und Bierkisten. Sie schwoften eng umschlungen in den bunten, kreisenden
Lichtern, und Jule fühlte sich mit einem Mal so glücklich und geborgen wie
selten zuvor. Sie wünschte, der Moment würde nie zu Ende gehen.
    Als dann aber »Ganz in Weiß« von Roy Black durchs Zimmer dröhnte,
wurde sie ein wenig aus ihrer Benommenheit herausgerissen. Sie sah zu Lea, die
amüsiert die Musikdatenbank durchforstete.
    »Ist das nicht dein iPod, den Lea da hat?«, flüsterte sie.
    »Schon«, sagte Jonas.
    »Ich wusste gar nicht, was da so alles drauf ist.«
    »Du siehst, ich habe noch einige Überraschungen zu bieten.«
    »Wohl eher dunkle Geheimnisse.«
    Sie spürte das Lachen in seinem Brustkorb, als er sie enger an sich
drückte und seine Hand über ihren Hintern gleiten ließ. Eine Stimme sagte: Den
Hintern einer Zwölfjährigen. Wenn du nämlich wie eine geschlechtsreife Frau
aussehen würdest, würde er gar nicht mit dir zusammen sein wollen.
    Da war dieser Schatten, ganz plötzlich. Sie wollte nicht daran
denken. Sie wollte alles zurücklassen. Ihr stand doch eine tolle Zukunft bevor.
Eine Hochzeit, Kinder, irgendwann mal ein eigenes Haus. Jonas wäre ein toller
Ehemann und ein liebevoller Vater. Alles andere wollte sie aus ihren Gedanken
verbannen. Sie schmiegte sich enger an ihn heran, ließ alle Zweifel von sich
abfallen. Schob alles beiseite, bis nur noch das Gefühl der Geborgenheit übrig
blieb.
    »… ja dann reichst du mir die Hand«, sang er leise in ihr Ohr, »und
du siehst so glücklich aus, ganz in Weiß mit einem Blumenstrauß.«
    Als Jule und Jonas sich für einen kurzen Moment trennten, nutzte
Marie die Gelegenheit, sich von ihrer Freundin zu verabschieden: »Du, sorry.
Aber ich hab schon wieder solche Kopfschmerzen. Ich möchte jetzt lieber nach Hause.«
    »Oh nein, Marie. Das ist nicht dein Ernst. Du kannst doch nicht
jedes Mal verschwinden, wenn’s schön wird.«
    »Tut mir leid, echt. Aber es geht nicht anders.«
    »Also gut.« Dann stichelte sie: »Du musst ja schließlich morgen
Abend fit sein. Dagegen kann ich ja nichts haben.«
    Marie lächelte. »Tu besser so, als wüsstest du von nichts.«
    »Das mach ich. Bis morgen.«
    Marie schnappte sich ihre Jacke und schlüpfte durch die Tür hinaus
auf den Flur. Vor der Zimmertür atmete sie erleichtert durch. Frische kühle
Luft umgab sie. Die Partygeräusche drangen nur noch gedämpft heraus. Für sie
war es allerhöchste Zeit gewesen, zu verschwinden. Sie hätte das alles nicht
mehr länger ertragen können. Die vergnügten Gesichter, die kitschige Musik, die
Bordellbeleuchtung und Jule und Jonas, die eng umschlungen mitten im Raum
tanzten. Sie musste da raus, musste sich befreien, um wieder klar denken zu
können.
    Klar denken. Das war im Moment das Wichtigste. Es gab einen Plan,
auf den sie sich konzentrieren musste. Der König von Brook war für sie zum
Greifen nah, da wollte sie unbedingt am Ball bleiben. Sie würde herausfinden,
wer sich hinter diesem Namen verbarg, das hatte sie sich fest vorgenommen.
    Sie war im Internet auf ihn gestoßen, in Jules Zimmer. Auf einer
ziemlich kuriosen Seite, auf der es um Tod, Suizid und Massenmord ging. Dort
hatte er eine beträchtliche Menge an Forumsbeiträgen gepostet, die Marie in
Windeseile gelesen hatte. Beiträge, in denen er düstere Theorien verbreitete,
krude Gedanken über die Sinnlosigkeit der Existenz, und immer wieder ging es um
seinen Hass auf die Menschen.
    Für Marie war sehr schnell klar gewesen: Hinter all diesen Beiträgen
stand eine hochkriminelle und arrogante Person, die keinerlei Fähigkeit hatte,
Mitgefühl für andere Menschen zu empfinden. Ein gekränkter, bösartiger Charakter,
von dem man sich besser fernhielt. Bei

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