Bullenball
sie. Genauso
wie die verwunderten und amüsierten Blicke des Kassenpersonals. Es störte sie
nicht, von oben bis unten gemustert zu werden. Sie hob einfach den Kopf und
blickte über alle hinweg. Ganz so, als gäbe es diese Leute nicht.
Ich bin keine Kuh, die zum Viehmarkt geführt wird. Ich bin ein
Mensch, das darf ich nicht vergessen. Ich muss aufrecht gehen, dann kann mir
nichts geschehen.
Ihr Vater war neben ihr. Sie spürte seine Unsicherheit. Er sah sich
um, strich immer wieder mit der Hand über sein Haar. Versuchte zwar, souverän
zu erscheinen, als wüsste er, was zu tun war und wie er sich verhalten musste.
Aber er war hier genauso verloren wie sie. Adelheid konnte sich nicht um ihn
kümmern. Er musste selbst sehen, wie er mit der Situation zurechtkam. So war
das nun mal.
Das Foyer war voller Menschen. Wer auf Adelheid und ihren Vater
aufmerksam wurde, starrte sie an. Doch dann geschah etwas Merkwürdiges. Es
wurde zwar geflüstert und gekichert. Aber die Leute traten zur Seite. Sie
machten ihr Platz. Keiner traute sich, ihr offen ins Gesicht zu lachen. Sie
begriff: Das passierte, weil sie keine Schwäche zeigte.
Ihr Vater nahm ihren Mantel und brachte ihn zur Garderobe. Dort
waren ein paar junge Frauen, die ihn freundlich und zuvorkommend behandelten.
Trotzdem war er nervös. Ließ sogar seine Windjacke fallen beim Versuch, sie
über den Tresen zu reichen. Zurück bei Adelheid blickte er sich ängstlich um.
Es herrschte ein großes Durcheinander, dazu laute Musik und viele Betrunkene.
Zum Glück entdeckte er einen freien Tisch am Rande des Foyers, wo sie sich
setzen konnten. Dort sah er sich nach einem Kellner um, bis er verstand, dass
es so etwas hier nicht gab. Also erhob er sich und blickte zur Theke.
»Was möchtest du trinken?«
»Ein Wasser.«
Er rang sich ein Lächeln ab. Der Versuch, etwas zu beschwören, das
nicht existierte.
»Ich kaufe dir auch ein Glas Sekt, wenn du möchtest.«
»Nein, danke. Lieber Wasser.«
Adelheid blieb allein am Tisch zurück. Sie blickte sich beiläufig
um. Der König kam ihr in den Sinn. Wenn er doch nur hier wäre. Der König war
der einzige Mann, für den sie sich interessierte. Nie hatte sie sich so
verstanden gefühlt wie bei ihm. Niklas war das nicht. Er verbarg sich nicht
hinter dem König von Brook. Das war völlig ausgeschlossen. Der König war viel
reifer. Er wusste viel mehr vom Leben als Niklas. Das war ihr inzwischen klar geworden.
Außerdem mochte der König sie. Daran würde sich nichts ändern, auch
nicht, wenn er sie kennenlernte. Hätte sie ihn nur nicht so bedrängt. Sie
wollte ja unbedingt seine Pläne herausbekommen. Damit hatte sie ihn
verscheucht. Seit ihrem letzten Chat war er nicht mehr im Forum aufgetaucht.
Der König blieb offline, und sie konnte nichts dagegen unternehmen.
Rundherum drängten sich Menschen, doch sie blieb allein an ihrem
Tisch. Keiner setzte sich zu ihr, aber sie wurde auch nicht verscheucht. Das
traute sich offenbar keiner. Sie blieb allein, wie in einer Blase.
Ihr Vater zwinkerte ihr vom Bierstand aus zu, doch sein Lächeln war
gezwungen. Die Leute hielten Abstand zu ihm. Er gehörte hier genauso wenig hin
wie seine Tochter. Irgendwie spürte er das auch. Noch lächelte er verzweifelt
dagegen an. Aber wie lange würde ihm das gelingen?
Irgendwie tat er ihr leid. Der Abend wurde für ihn zu einer großen
Enttäuschung. Er wollte sie hier ins Leben stoßen. Sie sollte Leute
kennenlernen, tanzen gehen, sich amüsieren. Aber das funktionierte natürlich
nicht.
Der König. Sie fragte sich, ob sie ihn erkennen würde, wenn er hier
wäre. Wenn er jetzt an ihr vorbeiginge, würde sie dann wissen: Er ist es? Eine
schöne Vorstellung, und irgendwie glaubte sie auch daran.
Ach, wenn er nur hier wäre. Dann würde sie vielleicht wirklich
tanzen und sich amüsieren. Es gäbe dann nur sie und ihn.
Am Cocktailstand herrschte gerade Flaute, als ihr Chef vorbeikam, um
die Einnahmen zu prüfen. Ein netter, aber etwas distanzierter Mittvierziger,
den Ben nur von der kurzen Dienstbesprechung kannte, zu der Vanessa ihn mitgebracht
hatte. Der Mann überschlug das Geld in der Kasse und lächelte anerkennend.
»Ihr hattet ganz schön zu tun.«
»Am Anfang, ja«, sagte Vanessa. »Jetzt ist es ein bisschen ruhiger
geworden.«
»Das ändert sich wieder.« Er sah sich um, betrachtete das Treiben im
Foyer. »Wenn ihr wollt, macht eine Zigarettenpause, wo es gerade ruhig ist. Ich
bleibe dann solange hier.«
Sie ließen sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher