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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Halle,
während der andere Kellner in der Nische blieb und seine Zigarette zu Ende
rauchte.
    Hambrock trat vor und ging auf den Streifenwagen zu. Nun erkannte er
im schwachen Schein der Laterne seine Kollegen. Der mit Vollbart und Wampe war
Manfred Sommer, den Hambrock bereits seit einer halben Ewigkeit kannte. Trotz
vieler Möglichkeiten einer Beförderung war Sommer beim Streifendienst
geblieben. Hambrock hatte nie begriffen, weshalb. Auf Streife zu sein hieß,
sich mit Schlägern, Besoffenen und verwirrten Personen herumzuärgern. Es
bedeutete, Obdachlosen Platzverweise auszusprechen und Kleinkriminelle
festzunehmen. Und immer wieder häusliche Gewalt, Razzien, Ruhestörungen und
Beschwerden. Keiner hielt das länger als zehn Jahre aus. Außer Sommer, der das
jetzt schon über dreißig Jahre machte. Er schien seinen Job zu mögen.
    Neben ihm saß sein neuer Kollege. Ein schmächtiger Junge, der gerade
seine Ausbildung hinter sich gebracht hatte und jetzt in Sommers Obhut war.
Hambrock hatte seinen Namen vergessen, Olaf oder Ole? Sie waren sich nur ein-
oder zweimal begegnet, trotzdem war er bei diesem Einsatz dabei, wie Hambrock
erstaunt feststellte. Wahrscheinlich lag das an Sommers väterlicher Art. Da
verhielten sich alle sofort loyal.
    »Hambrock, da bist du ja!« Sommer kurbelte das Fenster runter. »Wir
konnten uns nicht eher loseisen. Aber dafür bleiben wir jetzt erst mal hier.«
    Hambrock stützte sich am Wagendach ab und blickte ins Innere.
»Danke, dass ihr gekommen seid. Das weiß ich zu schätzen.« Er nickte Olaf oder
Ole zu. »Auch dir vielen Dank.«
    Sommer grinste. »Wir sind auf Streife. Ist eine ruhige Schicht heute
Nacht. Ich hab mit den anderen abgeklärt, dass sie uns aus dem Spiel lassen,
wenn irgendwo was los ist.«
    »Sehr gut.« Hambrock blickte sich um. »Ihr bleibt am besten hier
stehen. Gut sichtbar auf dem Platz. Das kann nicht schaden. Was ist mit Bertold
und Achim?«
    »Die müssten auch gleich da sein. Wahrscheinlich kommen die von
hinten, vom Industrieweg.«
    »Sag ihnen, sie sollen am Westtor bleiben und dort Stellung
beziehen. Ich gehe dann gleich mal nach hinten und sag Guten Tag.«
    »Wird gemacht.« Sommer kratzte sich am Bart. »Beschreibung und
Fahndungsfotos sind gut, wir werden ihn nicht übersehen, wenn er hier
auftaucht.«
    »Denkt an eure Eigensicherung, der Kerl ist gefährlich.«
    Sommer verdrehte die Augen und grinste. »Natürlich. Das machen wir immer.«
    »Das ist mein Ernst, Manni. Tragt ihr Westen?«
    »Na klar.«
    »Also gut. Wenn ihr ihn seht, ruft Verstärkung. Keine Heldentaten,
okay?«
    »In Ordnung. Was ist eigentlich mit dir?«, fragte Sommer. »Trägst du
eine Weste?«
    »Ich bin privat hier. Das ist eine öffentliche Veranstaltung. Da
trage ich weder Weste noch Waffe.«
    »Das hab ich mir schon gedacht. Wahrscheinlich solltest vielmehr du
auf dich aufpassen. Weiß Erlend, dass du hier bist?«
    »Die ist in Holland. Besucht ihre Eltern.«
    »Na, da hast du ja Glück. Dann gibt’s keinen Ärger.« Sommer grinste.
Wie es aussah, hatte er die Lüge geschluckt.
    Hambrock ließ den Blick über den Platz schweifen.
    »Der kommt hier nicht vorbei, Hambrock. Wie soll er das machen?
Keine Sorge, wenn der auftaucht, kriegen wir ihn.«
    »Ja«, sagte Hambrock und klopfte zum Abschied aufs Dach. »Hoffen
wir’s.«
    Dann ging er zurück an seinen Platz neben dem Eingang.
    Auf der Bühne fand die Wahl zur Miss Bullenball statt. Die dritte
Kandidatin stellte sich gerade vor. Sie stammte von einem Schweinemastbetrieb,
eine hübsche, zerbrechlich wirkende Blondine mit dem Organ einer Brandsirene.
Mithilfe der Band animierte sie das Publikum zu Sing- und Bewegungsspielen,
ihre Stimme hätte dabei Metall schneiden können. Trotz des bodenlosen Niveaus
machten alle lautstark mit. Wer diese sehr kleine, sehr laute Frau sah und
erlebte, konnte offenbar gar nicht anders.
    Marie sah sich das Spektakel aus einiger Entfernung an. Sie stand am
Rande der Halle am Biertresen und war froh, für ein paar Minuten ihre Ruhe zu
haben. Jule und die anderen standen am Eingang, umringt von einer Gruppe
älterer Männer, die über den Preis der bemalten Eier verhandelten. Einem von
ihnen gehörte offenbar eine Hühnerzucht. Es war ein ungepflegter und
übergewichtiger Enddreißiger, der seine Hände nicht bei sich behalten konnte.
Er fand, Jule müsse sich unbedingt seinen Betrieb ansehen, bevor sie heiratete.
Vielleicht würde sie ihre Meinung dann noch ändern. Marie schüttelte sich

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