Bullenhitze
und er wollte schreien, doch außer einem gedämpften, hohen Ton, der ihm aus der Nase drang, war nichts zu hören.
Wieder ein Blitzlicht. Das Gesicht. Und nun bekam das Gesicht eine Verbindung. Roland Kronberger. Roland Kronberger hatte mit ihm gesprochen. Nein, über ihn. Das Denken strengte ihn ungeheuer an, trotzdem zwang er sich dazu. Denk nach. Denk nach. Und ein weiteres Gesicht. Das Gesicht dieser Frau. Wie hieß die noch gleich. Es fiel ihm nicht ein. Ein W. Wie ein riesengroßes Mahnmal tauchte ein W vor seinen Augen auf. Wohlrabe. Ja, die Witwe des Bestattungsunternehmers. Und dieser Kronberger hatte seinen Vater verloren. Oder war es sein Bruder gewesen? Nein, der Vater.
Mehr und mehr durchdrang er die Schleier des Nebels, der sich über sein Denken gelegt hatte. Die Witwe des Bestattungsunternehmers und der Sohn des ermordeten Bauunternehmers. Was zum Teufel hatten die miteinander zu tun?
Er bemerkte, dass der Wagen, in dessen Kofferraum er gefesselt lag, langsam um eine Ecke fuhr, danach eine weitere. Holpern. Offenbar eine kurze Strecke Kopfsteinpflaster. Wieder langsam rechts und links. Dann Ruhe. Schreiende, unheimliche Stille. Lenz hörte das Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Irgendwo knallte eine Autotür, gleich darauf noch eine. Wieder Stille. Der Kommissar hielt die Luft an, aber kein Laut drang in sein enges Gefängnis. Nur die Kälte der Frühwinternacht. Dann ein Geräusch. Ein Klacken. Jemand hatte die Entriegelung des Kofferraumschlosses betätigt.
»Aber das war nicht abgemacht. Ein Bulle! Was denken Sie sich denn?«
Eine unbekannte Stimme.
»Nun haben Sie sich nicht so. In einer knappen Stunde ist nichts mehr von ihm übrig außer ein paar gemahlenen Knochenresten. Beim Letzten waren Sie auch nicht so pingelig.«
Roland Kronberger.
»Das kostet Sie ein schönes Sümmchen extra, das muss Ihnen doch klar sein, oder?«
»Selbstverständlich. Ich lege nochmal 20.000 pro Jahr drauf. Und als Einmalzahlung gibt es 50.000 Prämie. Bar und gleich nächste Woche.«
»Na, Sie scheinen es ja zu haben.«
»Sind wir uns einig?«
»Bei den Konditionen sowieso.«
Der Körper des Polizeibeamten wurde angehoben. Sein Kopf schlug gegen einen harten Gegenstand oder eine Kante und er merkte, dass Blut über sein Gesicht lief. Mit lautem Stöhnen zog er die Beine an und wollte sie gleich darauf wieder ruckartig nach vorne schieben, doch seine kalten Muskeln gehorchten ihm nicht. Die Bewegung, nein, alle Bewegungen, lösten entsetzliche Schmerzen aus. Er wollte mit den Armen um sich schlagen, doch seine Reichweite endete an den Schultern. Brutal wurde er auf den Boden geworfen, auf kalten, weichen Boden. Nein, das war kein Boden, das war etwas anderes. Eine bewegliche, kühle Masse war unter ihm. Was um alles in der Welt geschah hier?
›In einer knappen Stunde ist nichts mehr von ihm übrig außer ein paar gemahlenen Knochenresten.‹ Das hatte Kronberger gesagt.
Gemahlene Knochenreste?
Sein Atem ging kurz, weil der Schmerz in seiner Brust kaum noch auszuhalten war. Trotzdem zwang er sich dazu, sich zu bewegen, aber sein Radius war eng, sehr eng. Zuerst schlugen seine Füße an, als er die Beine ausstrecken wollte, dann die Knie und die Fersen, als er versuchte, die Beine anzuziehen. Und zeitgleich hatte er das Gefühl, dass sein Hirn plötzlich wieder mit voller Leistung arbeitete. Er lag in einer Kiste auf einem kalten, beweglichen Gegenstand, war blind und sollte innerhalb der nächsten Stunde zu gemahlenen Knochenresten verarbeitet werden. Und da war noch dieser eklige, die Nase reizende Geruch um ihn herum. Jetzt das Klappern und Schleifen von Holz. Ein paar weitere Geräusche, dann Stille. Gespenstische, bedrückende Stille. Lenz versuchte erneut zu schreien, aber wieder kamen nicht mehr als Wimmerlaute aus seiner Nase. Er strampelte in wilder, nackter Panik mit den Füßen, riss an den Fesseln, die seine Arme hinter dem Rücken hielten, doch er erreichte nichts.
Dann bemerkte er, dass sich die Kiste, in der er lag, in Bewegung setzte. Ganz leise drang das Geräusch von Gummirollen an sein Ohr. Wieder blieb er kurz völlig ruhig und lauschte, aber außer dem Rumpeln der Räder war da nichts. Eine Drehung, danach wieder Ruhe. Jetzt klopfte jemand von außen auf die Kiste. Wieder eine kurze Phase der Stille. Dann das Gefühl, als würde sein Gefängnis angehoben, gefolgt von einer Beschleunigung, die ihn überraschte und seine Panik potenzierte. Und im Anschluss eine Woge der
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