Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
Finger hinter sich in Richtung Flottbek. »Aber mein Zuhause ist es nicht. Ich dachte mal, das könnte noch werden.«
Sie hält ihr letztes Stückchen Brot in die Luft.
»Ist aber nicht passiert.«
Möwe, schnapp, weg.
»Sind Sie hier zu Hause?«, fragt sie mich.
Hm. Manchmal ja, manchmal nein. Das wäre aber wahrscheinlich überall so.
»Ich habe einen Nachbarn«, sage ich. »Bei dem bin ich zu Hause.«
Der Regen wird wieder stärker, Naima setzt sich zurück unter die Brücke, ganz nah an den traurigen Kleinen Donner ran. Ich setze mich dazu, halte aber ein bisschen Abstand. Dann schauen wir den schweren Tropfen zu, wie sie aufs Wasser fallen, und beides zusammen ergibt demnächst wahrscheinlich einen neuen Ozean, und ich lasse ein Schiff nach dem nächsten abfahren, bis es irgendwann so spät und nass und dunkel ist, dass nur noch die Taxizentrale helfen kann.
V.
GEWITTER
Klatsche schläft noch, er hat gestern Abend lange in der Blauen Nacht hinterm Tresen gestanden. Ich hab ihn nicht gehört, als er zur Tür reingekommen ist, ich bin nur irgendwann heute Nacht aufgewacht, und da lag ich in seinem Arm und dachte: Genau. Mein Nachbar.
Ich stehe am Wohnzimmerfenster und trinke Kaffee, ich will gleich heute Morgen ins Präsidium, ich spüre, dass ich unruhig werde, und da klingelt auch schon mein Telefon. Der Calabretta ist dran.
»Na?«, sage ich. »Wie sieht’s aus?«
»Immer noch kein Lebenszeichen von Sackmann«, sagt er, »trotz Fahndung auf allen Kanälen.«
»Was sagt die Spurensicherung? War jemand in Sackmanns Haus?«
»Sie haben nichts gefunden«, sagt er.
»Haben wir vom Flughafen schon die Passagierlisten der letzten 48 Stunden?«
»Ja«, sagt er. »Nichts. Und ich habe gestern Abend noch mit Sackmanns Anwalt gesprochen. Der hatte angeblich keine Ahnung davon, dass sein Mandant vorhatte, mit uns zu reden.«
»Warum wollte er das denn bitte alleine machen? Solche Typen machen nichts ohne Anwalt. Schon gar nicht mit der Polizei verhandeln.«
»Vielleicht lügt der Anwalt«, sagt der Calabretta.
»Wieso sollte er?«, frage ich.
»Das ist nicht der Punkt«, sagt der Calabretta. »Der Punkt ist, dass irgendjemand wem auch immer gesteckt hat, dass Henning Sackmann mit uns reden will.«
»Stimmt«, sage ich. »Und Sie glauben, das war sein Anwalt?«
»Wer denn sonst? Also, ich war’s nicht.«
»Geben Sie die Fahndung nach Sackmann an die Presse«, sage ich.
»Sicher?«, fragt er. »Das gibt’n Auflauf, das ist Ihnen schon klar, oder?«
»Klar«, sage ich. »Aber ich will alle erreichen, die Sackmann gesehen haben könnten. Taxifahrer, Zugpersonal, alle.«
»Sie erreichen damit auch den, der wissen soll, dass Sackmanns Luchs aufgeschlitzt wurde, Chef.«
»Ich weiß«, sage ich.
»Sie machen sich zum Überbringer der Botschaft.«
»Ich will, dass Bewegung reinkommt.«
»Na dann«, sagt der Calabretta.
»Bis gleich«, sage ich und lege auf.
Ich trinke meinen Kaffee aus, schnappe meinen Mantel und verlasse das Haus.
Noch ist es trocken, aber der Himmel sieht nicht gut aus.
* * *
Manche von uns sitzen an dem großen Tisch in der Mitte, manche nicht. Ich lehne zusammen mit dem Tschauner am gekippten Fenster. Wir rauchen. Der Calabretta hat einen Stapel Papier vor sich und sieht ihn durch. Kringe und Bartels sitzen ihm gegenüber, der Brückner daneben. Er spielt mit dem in eine Plastiktüte eingepackten Uzi-Magazin, dreht es zwischen den Fingern hin und her.
»Also«, sagt der Calabretta, »auch wenn ich nicht glaube, dass das hier viel bringt, haben die Kollegen Schulle und Brückner die Namen aller schweren Jungs aus dem System geholt, die in den letzten zehn Jahren mit einer Uzi oder anderen automatischen Waffen auffällig geworden sind.«
Er rollt mit seinem Schreibtischstuhl ein Stück nach hinten und verschränkt die Arme.
»Wir gehen die jetzt alle durch und klopfen die Herren auch darauf ab, ob sie in irgendeiner Beziehung zum Albaner stehen.«
Er räuspert sich.
»Da kommen am Ende wahrscheinlich so fünfzehn bis zwanzig Kandidaten raus. Und die knöpfen wir uns dann vor.«
»Meinen Sie, damit haben wir Glück?«, frage ich.
»Mol kieken, nä«, sagt der Brückner und legt das Magazin vor sich auf den Tisch.
»Bitteschön«, sagt der Calabretta. Er schiebt den Stapel Blätter in die Mitte. »Bedienen Sie sich. In zwei Stunden tanzt Oberstaatsanwalt Schubert hier an, wäre gut, wenn wir dann fertig sind.«
Wie bitte? Was will der denn hier?
»Warum weiß ich
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